Der Raritätenladen
vor seinem Zorne zu erfüllen. Über niemand hatte er aber eine so vollkommene Macht als über seine Frau selbst, ein hübsches, kleines, sanftes, blauäugiges Weibchen, das sich infolge einer jener sonderbaren Betörungen, von denen es Beispiele genug gibt, mit dem Zwerge ehelich verbunden hatte und nun mit jedem Tag seines Lebens für seine Torheit schwere Buße übte.
Wir haben bereits gesagt, daß Frau Quilp in ihrem Bauer schmachtete. In diesem Bauer saß sie, aber nicht allein, denn
außer der alten Dame, ihrer Mutter, deren bereits Erwähnung geschah, waren auch ein halbes Dutzend Damen aus der Nachbarschaft zugegen, die infolge eines seltsamen Zufalls – und wohl auch infolge einer kleinen Verabredung – gerade zur Teezeit nacheinander ins Haus geschlüpft waren. Eine günstigere Gelegenheit zur Unterhaltung konnte sich nicht leicht finden, und da das Zimmer ein kühler, schattiger, behaglicher Ort war, mit einigen Blumentöpfen am offenen Fenster, die den Staub ausschlossen und gar lieblich zwischen dem Teetisch drinnen und dem alten Tower draußen standen, so durfte es einen nicht wundernehmen, daß die Damen eine Neigung verspürten, zu bleiben und zu schwatzen, besonders wenn man dabei die bei dieser schönen Gelegenheit gerade vorhandenen Lockmittel, frische Butter, neubackenes Brot, Garnelen und Brunnenkresse, mit in Rechnung zog.
Da nun die Damen unter solchen Umständen beisammen waren, so war es sehr natürlich, daß das Gespräch auf den Hang der Männer kam, das schwächere Geschlecht zu tyrannisieren, woraus für dieses die Verpflichtung erwachse, einer solchen Tyrannei Widerstand zu leisten und seine Rechte und Würde zu behaupten. Natürlich war das aus vier Gründen: erstens weil Frau Quilp, die ein junges Weib war und notorisch unter der Herrschaft ihres Mannes stand, zur Rebellion aufgehetzt werden mußte; zweitens weil Frau Quilps Mutter wegen ihres zänkischen Charakters und wegen ihres Hanges, dem männlichen Willen Widerstand zu leisten, rühmlichst bekannt war; drittens weil jede von den Nachbarinnen an ihrer Person zeigen wollte, wie sehr sie in dieser Hinsicht über den gewöhnlichen Typus ihres Geschlechtes erhaben sei; und als vierter Grund kam folgendes hinzu: da die Gesellschaft gewohnt war, immer paarweise einander zu verlästern, und sie nun ihr gewöhnliches Thema entbehrten, sintemalen alle in
enger Freundschaft versammelt waren, wußten sie nichts Besseres zu tun, als den gemeinsamen Feind anzugreifen.
Durch solche Rücksichten veranlaßt, eröffnete eine wohlbeleibte Dame die Verhandlungen, indem sie mit der Miene großer Besorgtheit und Teilnahme die Frage stellte, wie sich Herr Quilp befände, worauf Herr Quilps Schwiegermutter in einem scharfen Tone erwiderte:
»Oh, er befindet sich wohl genug – er befand sich nie besser –, Unkraut verdirbt nicht.«
Alle Damen seufzten sodann einmütig, schüttelten ernst die Köpfe und sahen auf Frau Quilp wie auf eine Märtyrerin.
»Ach!« meinte die Sprecherin, »wenn Sie ihr nur ein bißchen mit Ihrem Rat an die Hand gingen, Frau Jiniwin« – wir hätten bemerken sollen, daß Frau Quilp früher eine Miß Jiniwin war –, »niemand weiß besser als Sie, Madame, was wir Frauen uns selbst schuldig sind.«
»Sie haben in der Tat recht, Madame«, versetzte Frau Jiniwin; »als mein armer Mann, ihr lieber Vater, noch am Leben war – wenn der je ein böses Wort gegen mich gewagt hätte, ich hätte ihm …«
Die gute alte Dame beendigte ihren Satz nicht, sondern drehte einer Garnele mit einer Rachsucht den Kopf ab, die pantomimisch darstellen sollte, was sie mit dem unterdrückten Worte meinte. In diesem Sinne wurde es augenscheinlich von der andern verstanden, die alsbald beifällig erwiderte:
»Sie fühlen ganz so wie ich, Madame, denn ich würde genau das gleiche tun.«
»Sie haben jedoch keinen Anlaß, so zu handeln«, sprach Frau Jiniwin. »Es ist ein Glück für Sie, daß Sie ebensowenig Grund dazu haben, als es bei mir der Fall war.«
»Es wirds auch keine Frau nötig haben, wenn sie nur sich selbst treu bleibt«, entgegnete die wohlbeleibte Dame.
»Hörst du das, Betsy?« sagte Frau Jiniwin mit warnender Stimme. »Wie oft schon habe ich dir das mit genau denselben Worten gesagt und dir fast kniefällig darüber Vorstellungen gemacht!«
Die arme Frau Quilp, die ganz hilflos von einem bedauernden Gesicht zum andern gesehen hatte, errötete, lächelte und schüttelte zweifelnd den Kopf. Dies war das Signal zu einem
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