Der Raritätenladen
wirklich nicht.«
»Ich möchte sie lieber des Abends auf dem Rasen tanzen sehen«, sagte der alte Herr, indem er mit einem wehmütigen Lächeln seine Hand auf ihren Kopf legte, »als daß sie dort in dem Schatten unserer moderigen Gewölbe sitzt. Ihr müßt dafür Sorge tragen, daß ihr das Herz nicht schwer wird unter diesen ehrwürdigen Ruinen. Eure Bitte ist gewährt, mein Freund.«
Es wurden noch einige freundliche Worte gewechselt, worauf sie sich entfernten und zurück zu dem Hause des Kindes gingen. Hier besprachen sie noch die glückliche Wendung ihres Schicksals, als ein neuer Freund erschien.
Dieser war ein kleiner alter Herr, der, wie sie später erfuh
ren, schon an fünfzehn Jahre, nämlich seit dem Tode der Gattin des Geistlichen, in dem Pfarrhause wohnte. Er hatte mit dem Pfarrer studiert und war immer dessen vertrauter Freund gewesen, weshalb er auch nach dem Schlage, der denselben betroffen, gekommen war, um ihn zu trösten; und seit dieser Zeit hatten sie sich nie wieder getrennt. Der kleine alte Herr war die wirkende Kraft des Ortes, das ausgleichende Element, der Förderer kleiner Vergnügungen, der Almosenverwalter seines Freundes, ein Helfer in der Not aus eignem Vermögen, der allgemeine Vermittler, Tröster und Freund. Keiner von den einfachen Dorfbewohnern hatte sich je um seinen Namen gekümmert oder, wenn er ihn wußte, in seinem Gedächtnis bewahrt. Sie nannten ihn ›Bachelor‹, vielleicht weil bei seiner Ankunft das Gerücht ging, er habe diesen Grad an der Universität erworben, vielleicht aber auch, weil er ein unverheirateter, unbelasteter Herr war. Der Titel gefiel ihm oder sagte ihm wenigstens ebensogut zu wie ein anderer, und so war er denn seitdem der ›Bachelor‹ geblieben. Und ebendieser Bachelor war es auch, der mit eignen Händen die Brennholzvorräte herbeigeschafft hatte, welche die Wanderer in ihren neuen Wohnungen antrafen.
Der Bachelor also – um ihn mit seinem gewöhnlichen Namen zu bezeichnen – drückte auf die Klinke, zeigte einen Augenblick sein kleines, rundes, sanftes Gesicht an der Tür und trat sodann in das Gemach wie ein Mann, dem es nicht fremd war.
»Sie sind Herr Marton, der neue Schulmeister«, wandte er sich grüßend an Nells wohlwollenden Freund.
»Ja, Sir.«
»Sie kommen mit guten Empfehlungen, und ich freue mich, Sie zu sehen. Ich wäre Ihnen gestern entgegengegangen, wenn ich nicht über Land hätte reisen müssen, um einem Mädchen,
das etliche Meilen von hier im Dienste ist, einen Auftrag von ihrer kranken Mutter zu bringen. Auch bin ich eben erst von dieser Tour zurückgekommen. Dies ist unsere junge Kirchenhüterin? Sie sind um ihrer oder um dieses alten Mannes willen nicht minder willkommen hier, mein Freund. Es steht einem Lehrer gut an, wenn er selbst auch Menschenfreundlichkeit gelernt hat.«
»Sie ist kürzlich krank gewesen«, sagte der Schulmeister, den Blick beantwortend, mit dem der Bachelor Nell betrachtete, nachdem er sie auf die Wange geküßt hatte.
»Ja, ich weiß das«, versetzte er; »es hat Leiden und Herzeleid gegeben.«
»Allerdings, Sir.«
Der kleine alte Herr blickte auf den Großvater und dann wieder auf das Kind, dessen Hand er zärtlich ergriff und in der seinigen behielt.
»Du wirst hier glücklicher sein«, sagte er. »Wir wollen wenigstens versuchen, dir frohe Stunden zu bereiten. Du hast ja hier bereits große Verbesserungen angebracht! Ist dies alles deiner Hände Arbeit?«
»Ja, Sir.«
»Wir machen vielleicht noch einige andere Änderungen, an sich gewiß nicht bessere, aber mit Hilfe der besseren Mittel werden sie vielleicht zweckdienlicher sein«, fuhr der Bachelor fort. »Laß einmal sehen, laß einmal sehn!«
Nell begleitete ihn in die andern kleinen Zimmer und durch beide Häuser, bei welcher Gelegenheit er fand, daß noch verschiedene kleine Bequemlichkeiten fehlten; er versprach, dieselben aus einer Rumpelkammer des Pfarrhauses zu ergänzen, die jedenfalls sehr mannigfaltig und reichhaltig sein mußte, da sie alle nur erdenklichen und ganz voneinander verschiedenen Gegenstände umfaßte. Es kam jedoch alles, und zwar ohne
Zeitverlust, denn der kleine Herr verschwand auf fünf oder zehn Minuten und kehrte dann, mit alten Simsgestellen, wollenen Decken, Bettdecken und anderm Hausrat beladen, zurück, hinter ihm ein Junge, der eine ähnliche Last trug. Dies wurde in einem bunten Haufen auf den Boden geworfen und es gab natürlich viel Arbeit, als alles geordnet, angebracht und ausgesucht werden
Weitere Kostenlose Bücher