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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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hat heute morgen in meinem Büro einen Diebstahl begangen und ist fast bei der Tat erwischt worden.«
    »Das ist jedenfalls eine Lüge!« rief der Notar.
    »Es ist nicht möglich!« sagte Herr Abel.
    »Ich glaube kein Wort davon!« rief der alte Herr.
    Herr Braß blickte sie der Reihe nach mild lächelnd an und entgegnete:
    »Herr Witherden, ich könnte Sie wegen dieses Wortes gerichtlich belangen; und wenn ich ein Mann von unangesehenem und niedrigem Stande wäre, auf dem eine Verleumdung haften bliebe, würde ich wegen Schadenersatzes gegen Sie auftreten. Da ich jedoch ich bin, Sir, so kann ich solche Ausdrücke nur verachten. Die edle Wärme der andern Herren respektiere ich, und es tut mir in der Tat leid, daß ich der Bote solch mißliebiger Neuigkeiten bin. Ich versichere Ihnen, daß ich mich nicht in diese peinliche Lage gebracht haben würde, aber der Junge selbst verlangte in erster Instanz hierhergebracht zu werden, und ich willfahrte seinem Wunsche. Herr Chuckster, wollen Sie die Güte haben, an das Fenster zu klopfen, damit der Wachmann, der in dem Wagen sitzt, hereinkomme?«
    Die drei Herren sahen einander während dieser Worte entgeistert an, und Herr Chuckster, welcher der Aufforderung Folge leistete und von seinem Schreibebock in einer Aufregung herunterhüpfte, die einen Seher befallen hätte, dessen Prophezeiungen sich zur bestimmten Stunde erfüllten, öffnete die Tür, um den unglücklichen Gefangenen eintreten zu lassen.
    Man denke sich den Auftritt, als Kit hereinkam und in kunstloser Beredsamkeit, die ihm die Wahrheit endlich verliehen hatte, den Himmel zum Zeugen anrief, daß er unschuldig sei und absolut nicht wisse, wie die Banknote bei ihm gefunden werden konnte! Dann das Stimmengewirr, ehe die Umstände berichtet und die Beweise vorgelegt waren, und endlich die Totenstille, als man alles wußte und seine drei Freunde Blicke des Zweifels und des Staunens wechselten.
    »Ist es nicht möglich«, sagte Herr Witherden nach einer langen Pause, »daß diese Note durch Zufall ihren Weg in den
Hut gefunden hat – durch Wegräumen der Papiere von dem Pulte vielleicht?«
    Es wurde jedoch klar nachgewiesen, daß dies ganz unmöglich sei. Herr Swiveller, obgleich ein unfreiwilliger Zeuge, war gezwungen, den schlagenden Beweis zu erbringen, daß die Note absichtlich verborgen worden war, indem er zeigte, wo er sie entdeckt hatte.
    »Es ist sehr betrübend«, sagte Braß, »ja ungemein betrübend. Wenn es zum Verhör kommt, dann werde ich mich sehr glücklich schätzen, ihn wegen seines früheren guten Charakters der Gnade zu empfehlen. Ich bin auch früher schon um Geld gekommen, aber das will nicht sagen, daß er es genommen habe. Freilich ist der Verdacht gegen ihn – stark gegen ihn –, aber wir sind Christen, hoffe ich.«
    »Vermutlich«, sagte der Wachmann, indem er umherschaute, »kann keiner der anwesenden Herren Auskunft geben, ob der Beschuldigte kürzlich bei Gelde gewesen ist. Wissen Sie vielleicht etwas, Sir?«
    »Er hat allerdings von Zeit zu Zeit Geld«, entgegnete Herr Garland, an den die Frage gestellt worden war, »aber das wurde ihm, wie er sagte, von Herrn Braß selbst gegeben.«
    »Ja, gewiß«, sagte Kit lebhaft, »Sie können mich doch in dieser Beziehung vertreten, Sir?«
    »Eh?« rief Braß, indem er mit dem Ausdruck dummer Verwunderung von einem Gesicht auf das andere blickte.
    »Das Geld, wissen Sie, die halben Kronen, die Sie mir gaben – von dem Mietsmann!« sagte Kit.
    »O barmherziger Himmel!« rief Braß, den Kopf schüttelnd und finster die Stirn runzelnd. »Das ist ein böser Fall, finde ich; bei Gott, ein sehr böser Fall!«
    »Wie, haben Sie ihm nicht im Namen eines andern Geld gegeben?« fragte Herr Garland in großer Angst.
    »Ich ihm Geld gegeben, Sir?« erwiderte Sampson. »Ah, sieh da, das ist zu unverschämt! Wachmann, mein guter Freund, es wird am besten sein, wir gehen.«
    »Was?« schrie Kit. »Er leugnet, daß er es tat? Ich bitte, fragen Sie ihn doch! Jemand soll fragen! Er soll Ihnen sagen, ob er es tat oder nicht!«
    »Ist es so, Sir?« fragte der Notar.
    »Ich will Ihnen etwas sagen, meine Herren«, versetzte Braß mit ungemein gravitätischer Miene, »der Junge wird auf diese Weise seiner Sache schlecht dienen, und in der Tat, wenn Sie Anteil an ihm nehmen, dann geben Sie ihm den Rat, er solle lieber einen neuen Plan ersinnen. Ob ich ihm Geld gab, Sir? Natürlich gab ich ihm nie etwas!«
    »Meine Herren«, rief Kit, dem plötzlich ein Licht aufging,

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