Der Raritätenladen
Entschlusse, auf der Straße zu warten, bis Herr Abel herauskäme, da sie dann nicht mehr zu befürchten hatte, vor Herrn Chuckster sprechen zu müssen, und mithin ihren Auftrag leichter ausrichten konnte. Zu diesem Zweck glitt sie wieder hinaus, lief über die Straße und setzte sich gerade gegenüber auf eine Türschwelle.
Sie hatte kaum diesen Platz eingenommen, als, beinahe alle viere in der Luft und den Kopf nach allen Seiten drehend, ein Pony die Straße heraufgetänzelt kam. Dieses Pony hatte einen kleinen Phaethon hinter sich, in dem ein Mann saß; aber weder Mann noch Phaethon schienen es auch nur im mindesten zu stören, denn es stellte sich auf die Hinterbeine, oder blieb stehen, oder trabte weiter, oder stand wieder still, oder drängte nach rückwärts oder seitwärts, ohne die geringste Rücksicht auf sein Anhängsel zu nehmen, gerade wie es ihm seine Laune eingab, als ob es das freieste Tier der Schöpfung sei. Als sie vor der Tür des Notars anlangten, rief der Mann sehr respektvoll: »Oha!«, was so viel heißen sollte wie: ›Wenn ich es wagen darf, einen Wunsch auszudrücken, so möchte ich hier haltmachen.‹ Das Pony blieb einen Augenblick stehen; aber als ob ihm erst jetzt einfiele, daß man unbequeme und gefährliche Konsequenzen daraus ziehen könnte, wenn es auf Wunsch stehenbliebe, stürmte es wieder auf und davon, rasselte galoppierend bis zur Straßenecke, drehte sich dann um, kam zurück und blieb aus eignem Antriebe stehen.
»Oh, du bist ein nettes Vieh!« sagte der Mann, der, nebenbei gesagt, sich nicht eher in seinen wahren Farben zu zeigen wagte, als bis er wohlbehalten auf dem Pflaster stand. »Ich wollte, ich dürfte dirs eintränken.«
»Was hat es denn getan?« fragte Herr Abel, der einen Schal um seinen Hals band, als er die Stufen herunterkam.
»Man möchte sich zu Tode ärgern über das Biest«, antwortete der Stallknecht. »Es ist der boshafteste Schuft – oha! willst du wohl!«
»Es wird nie stehen, wenn Ihr es beschimpft«, sagte Herr Abel einsteigend und die Zügel ergreifend. »Es ist ein guter Bursche, wenn man ihn zu behandeln versteht. Seit langem ist es heute das erstemal wieder im Geschirr, denn es hat seinen alten Kutscher verloren und wollte bis heute morgen mit niemand von der Stelle gehen. Sind die Lampen in Ordnung? Nun, das ist gut. Seid so gut, Euch morgen hier wieder einzufinden. Gute Nacht!«
Und nach einem oder zwei wunderlichen Sprüngen ganz eigner Erfindung fügte sich das Pony Herrn Abels milder Hand und trabte gemächlich weiter.
Die ganze Zeit über stand Herr Chuckster unter der Tür aufgepflanzt, so daß die Magd nicht wagte, näher zu kommen. Sie konnte daher jetzt nichts weiteres tun, als der Chaise nachlaufen und Herrn Abel zurufen, daß er halten möchte. Ganz außer Atem, als sie ihn endlich eingeholt hatte, war es ihr nicht möglich, sich verständlich zu machen. Der Fall war ein verzweifelter, denn das Pony beschleunigte seine Schritte. Die Marquise hängte sich deshalb einige Augenblicke hinten an, und da sie fühlte, sie könne es nicht länger aushalten und müsse bald erliegen, so kletterte sie mit einer gewaltigen Kraftanstrengung in den hinteren Sitz, wobei sie einen der Schuhe für immer verlor.
Da Herr Abel in Gedanken vertieft war und genug zu tun hatte, um das Pony in Gang zu erhalten, so fuhr er weiter, ohne sich umzuschauen. Er hatte nicht die geringste Ahnung von der sonderbaren Gestalt, die sich dicht hinter ihm befand, bis
die Marquise, sobald sie einigermaßen wieder zu Atem gekommen war und sich in den Verlust ihres Schuhes wie auch in die Neuheit ihrer Lage gefunden hatte, dicht an seinem Ohr die Worte sprach:
»Hallo, Sir …«
Jetzt wandte er den Kopf rasch um, hielt das Pony an und rief mit einigem Schaudern:
»Gütiger Himmel, was ist das?«
»Erschrecken Sie nicht, Sir«, entgegnete die noch immer keuchende Botin. »Oh, ich bin Ihnen so lange nachgelaufen!«
»Aber, was will Sie von mir?« sagte Herr Abel. »Wie kommt Sie hierher?«
»Ich bin hinten aufgestiegen«, entgegnete die Marquise. »Oh, bitte, fahren Sie weiter, Sir – bleiben Sie nicht stehen –, fahren Sie der Stadt zu, ja? Und ach, beeilen Sie sich gütigst, weil es von wichtigen Folgen ist. Es wünscht Sie dort jemand zu sprechen. Er sandte mich, um Ihnen zu sagen, Sie möchten doch gleich kommen; er wisse alles über Kit, könne ihn noch retten und sei imstande, seine Unschuld zu beweisen.«
»Was sagst du, Kind?«
»Die Wahrheit, auf
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