Der Raritätenladen
bereits zu Bett gegangen waren, manchmal, wissen Sie, früher; und ein oder zwei Nächte vor jenem feinen Skandal in der Kanzlei – ich meine, wie damals der junge Mensch arretiert wurde – kam ich die Treppe herauf, während Herr Braß und Miß Sally bei dem Feuer der Schreibstube saßen. Und ich sage Ihnen aufrichtig, ich kam nur, um etwas über den Speiseschrankschlüssel zu erlauschen.«
Herr Swiveller zog seine Knie an sich, daß die Bettdecke einen großen Kegel bildete, und sein Gesicht trug den Ausdruck höchster Spannung. Da jedoch die kleine Magd wieder innehielt und ihren Finger warnend hob, sank der Kegel ganz langsam wieder zusammen; nur der gespannte Ausdruck des Gesichts schwand nicht.
»Er und sie saßen beim Feuer«, erzählte die kleine Magd, »und sprachen leise miteinander. Herr Braß sagt zu Miß Sally: ›Auf mein Wort‹, sagt er, ›es ist ein gefährlich Ding, das uns in zahllose Ungelegenheiten bringen kann, und ich bin gar nicht dafür.‹ Sie sagt – Sie kennen Ihre Art –, sie sagt: ›Du bist der feigste, schwächste und verzagteste Mann, den ich je gesehen habe, und mir kommt vor‹, sagt sie, ›daß ich der Bruder hätte werden sollen und du die Schwester. Ist nicht Quilp unsere Hauptstütze?‹ sagt sie. ›Gewiß ist er es‹, sagt Herr Braß. ›Und stürzen wir‹, sagt sie, ›auf dem Geschäftswege nicht fortwährend den einen oder den andern ins Verderben?‹ ›Gewiß‹, sagt Herr Braß. ›Was hat es dann zu bedeuten‹, sagt sie, ›wenn man auf Quilps Wunsch diesen Kit ruiniert?‹ ›Es hat natürlich nichts zu bedeuten‹, sagt Braß. Dann flüsterten und lachten sie darüber, daß keine Gefahr vorhanden sei, wenn man es nur schlau
anfange, und dann zieht Herr Braß sein Taschenbuch heraus und sagt: ›Ha! Da ist sie – Quilps eigene Fünfpfundnote. So wollen wirs also in dieser Weise ausführen‹, sagt er; ›ich weiß, daß Kit morgen früh kommt. Wenn er die Treppe hinaufgeht, machst du dich aus dem Staube, und ich lasse Herrn Richard verschwinden. Habe ich Kit allein, so halte ich ihn durch ein Gespräch hin und praktiziere diese Banknote in seinen Hut. Ich will es außerdem noch so einfädeln‹, sagt er, ›daß Richard sie entdecken und den Zeugen abgeben muß. Und wenn das Christoph nicht aus Herrn Quilps Weg räumt und Herrn Quilps Wut nicht beschwichtigt‹, sagt er, ›so muß der Teufel seine Hand im Spiel haben.‹ Miß Sally lacht und sagt, so müsse es auch geschehen, und da es den Anschein hatte, als ob sie fortgehen wollten, so wagte ich es nicht, mich länger aufzuhalten, sondern schlüpfte wieder die Treppe hinunter. – So!«
Die kleine Magd hatte sich allmählich in eine ebenso große Aufregung hineingearbeitet als Herr Swiveller und versuchte daher nicht, ihn zurückzuhalten, als er sich im Bett aufrichtete und hastig fragte, ob sie diese Geschichte schon irgend jemand erzählt habe.
»Wie hätte ich können?« versetzte seine Wärterin. »Ich fürchtete mich fast, nur daran zu denken, und hoffte, der junge Mensch würde freigelassen werden. Als ich sie reden hörte, man habe ihn trotz seiner Unschuld für schuldig erklärt, da waren Sie fort und der Mietsmann auch – obschon ich mich zu sehr gefürchtet hätte, glaube ich, ihm das Ganze zu erzählen, selbst wenn er dagewesen wäre. Seit ich hier bin, sind Sie nie bei Verstand gewesen, und was wäre Gutes dabei herausgekommen, wenn ich's Ihnen dann mitgeteilt hätte?«
»Marquise«, sagte Herr Swiveller, indem er seine Nachtmütze abriß und sie in das andere Ende der Kammer schleuderte, »wenn du mir einen Gefallen erweisen willst, so zieh dich ei
nige Minuten zurück und sieh zu, schau hinaus, was für Wetter heute abend draußen ist; ich will aufstehen.«
»Ach, Sie dürfen nicht an so etwas denken«, rief die kleine Wärterin.
»Ich muß aber«, sagte der Patient, im Zimmer umherschauend. »Wo sind meine Kleider?«
»Oh, wie bin ich froh – Sie haben ja gar keine!« versetzte die Marquise.
»Ma'am!« rief Herr Swiveller in großer Überraschung.
»Ich habe sie alle Stück für Stück verkaufen müssen, um die Sachen zu bezahlen, die der Doktor Ihnen verordnet hat. Aber grämen Sie sich nicht darüber«, bat die Marquise, als Dick auf sein Kissen zurücksank, »Sie sind ja wirklich zu schwach zum Stehen.«
»Ich fürchte«, sagte Richard mit einer Jammermiene, »du hast recht. Was soll ich tun? Was kann geschehen?«
Nach kurzer Erwägung fiel ihm natürlich ein, daß der erste
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