Der Raritätenladen
ists recht!« sagte Dick. »Es ist wacker von ihm, und ich ehre ihn darum von heute an. Aber hole jetzt etwas zu essen und einen Krug Bier, denn ich bin überzeugt, daß du müde bist. Du mußt einen Krug Bier haben. Es wird mir ebenso guttun, wenn ich dich trinken sehe, als wenn ich selbst tränke.«
Nur diese Versicherung konnte die kleine Wärterin bewegen, sich eine solche Schwelgerei zu erlauben. Nachdem sie zu Herrn Swivellers ungemeiner Zufriedenheit gegessen und getrunken hatte, reichte sie auch ihm seinen Trank, brachte alles schön in Ordnung, hüllte sich in eine alte Bettdecke und legte sich auf den Teppich vor dem Kamin nieder.
Herr Swiveller murmelte halb im Schlafe vor sich hin: »So mach ein Binsenbett zur Not; hier bleib ich bis zum Morgenrot. Gute Nacht, Marquise.«
Sechsundsechzigstes Kapitel
Als Richard Swiveller erwachte, kam er nach und nach zu dem Bewußtsein, daß sich flüsternde Stimmen in seiner Kammer vernehmen ließen. Er blickte zwischen den Vorhängen hindurch und entdeckte Herrn Garland, Herrn Abel, den Notar und den ledigen Herrn, die sich um die Marquise geschart hatten und sehr ernsthaft, aber in sehr gedämpftem Tone mit ihr sprachen – zweifellos, weil sie ihn zu stören fürchteten. Er zö
gerte nicht, sie wissen zu lassen, daß diese Vorsicht unnötig sei, und alle vier Herren traten sogleich an sein Bett. Der alte Herr Garland war der erste, der die Hand ausstreckte und sich nach seinem Befinden erkundigte.
Dick war eben im Begriff zu antworten, daß es besser mit ihm gehe, obgleich er immer noch sehr schwach sei, als seine kleine Wärterin die Besucher, als wäre sie eifersüchtig auf ihre Einmengung, beiseite schob, sich zu dem Kopfende des Bettes drängte, das Frühstück vor Richard stellte und darauf bestand, daß er erst essen müsse, ehe er sich der Anstrengung des Sprechens oder Zuhörens unterziehe. Für Herrn Swiveller, der einen schrecklichen Heißhunger verspürte und die ganze Nacht wunderbar deutliche und zusammenhängende Träume von Hammelkeulen, Doppelmalzbier und ähnlichen Leckereien gehabt hatte, waren sogar der schwache Tee und die trockene Röstschnitte so unwiderstehliche Versuchungen, daß er unter einer Bedingung einwilligte, zu essen und zu trinken.
»Und diese ist«, sagte Dick, indem er den Händedruck des Herrn Garland erwiderte, »daß Sie mir diese einzige Frage der Wahrheit gemäß beantworten, ehe ich einen Tropfen oder Bissen zu mir nehme. Ist es zu spät?«
»Um das Werk zu vollenden, das Sie in der letzten Nacht so gut begonnen haben?« versetzte der alte Herr. »Nein. Beruhigen Sie sich darüber! Ich versichere Ihnen, es ist nicht zu spät.«
Durch diese Kunde getröstet, machte sich der Kranke heißhungrig über sein spärliches Mahl her, obgleich augenscheinlich lange nicht mit dem Behagen, das seine Wärterin zu empfinden schien, als sie ihn essen sah. Die Art, wie dies geschah, war folgende: Herr Swiveller hielt die Röstschnitte oder die Teetasse in seiner Linken und nahm, je nachdem es sich fügte, bald einen Bissen, bald einen Schluck, wobei er beharrlich mit seiner Rechten eine Hand der Marquise fest umschlossen hielt;
und um diese gefangene Hand drücken oder sogar küssen zu können, hielt er selbst mitten im Schlucken inne, um mit vollem Ernst und größter Gravität seine Absicht auszuführen.
Sooft er etwas in den Mund brachte – mochte das nun ein Bissen Brot oder ein Schluck Tee sein –, strahlte das Gesicht der Marquise über alle Maßen; aber wenn er ihr auf die eine oder die andere Art seine Dankbarkeit ausdrückte, dann flog ein Schatten über ihr Gesicht, und sie begann zu schluchzen. Ob sie nun aus Freude lachte oder aus Freude weinte, jedesmal wandte sie sich mit einem bittenden Blick an die Anwesenden, der zu sagen schien: ›Sie sehen diesen Menschen – kann ich dafür?‹ – Und da diese hierdurch gewissermaßen zu Mitspielern in der Szene gemacht wurden, antworteten sie regelmäßig durch einen andern Blick: ›Nein, gewiß nicht.‹
Diese Pantomime dauerte so lange, als der Kranke frühstückte, und da der Kranke selbst, so blaß und abgezehrt er war, keine unbedeutende Rolle dabei spielte, darf man wohl fragen, ob bei irgendeinem Mahle, bei dem vom Anfang bis zum Ende kein gutes oder böses Wort gefallen, so viel durch schlichte und unbedeutende Gebärden ausgedrückt wurde.
Endlich – und um die Wahrheit zu sagen – nach nicht sehr langer Zeit hatte Herr Swiveller so vielen Röstschnitten und
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