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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Schritt, den er unternehmen könnte, der sein müßte, sofort mit einem von den Herren Garlands in Verbindung zu treten. Es war sehr möglich, daß Herr Abel die Kanzlei des Notars noch nicht verlassen hatte. In ebenso kurzer Zeit, wie es hier erzählt wird, hatte die kleine Magd die Adresse mit Bleistift auf ein Stück Papier geschrieben in Händen, hatte eine mündliche Beschreibung von Vater und Sohn, die sie in den Stand setzte, jeden von beiden ohne Schwierigkeit zu erkennen, und eine spezielle Warnung erhalten, gegen Herrn Chuckster vorsichtig zu sein, weil die Antipathie dieses Herrn gegen Kit wohlbekannt war.
    So ausgerüstet eilte sie fort mit dem Auftrag, entweder den alten Herrn Garland oder Herrn Abel persönlich in dieses Zimmer zu bringen.
    »Vermutlich«, sagte Dick, als sie die Tür langsam schloß,
dann aber noch einmal ins Zimmer schaute, um sich zu überzeugen, daß ihm nichts für seine Behaglichkeit fehle, »ist gar nichts übriggeblieben – nicht einmal eine Weste?«
    »Nein, nichts.«
    »Das könnte mich in Verlegenheit bringen, wenn Feuer ausbräche«, sagte Herr Swiveller. »Selbst ein Regenschirm wäre schon etwas; aber du tatest ganz recht, liebe Marquise. Ohne dich wäre ich gestorben.«

Fünfundsechzigstes Kapitel
    Es kam der kleinen Magd sehr zustatten, daß sie schlau und behend war, sonst hätte wahrscheinlich dadurch, daß man sie allein und unbeschützt fortschickte, noch dazu gerade in der Gegend, in der sie sich nicht ohne Gefahr blicken lassen durfte, Miß Sally Braß wieder die Oberherrschaft über das kleine Persönchen erlangt. Die Marquise war sich der Gefahr jedoch bewußt, und kaum hatte sie das Haus verlassen, so tauchte sie in die erste dunkle Nebengasse, die ihr in den Weg kam, und da es ihr nicht darum zu tun war, schnurstracks das Ziel ihrer Reise zu erreichen, so war sie vor allem darauf bedacht, zwei gute Meilen Stein und Mörtel zwischen sich und Bevis-Marks zu bringen.
    Sobald sie diesen Zweck erreicht hatte, begann sie die Richtung nach dem Büro des Notars einzuschlagen, die sie – indem sie schlauerweise nur die Apfelweiber und Austernverkäufer an den Straßenecken um Auskunft bat, nicht aber in hell erleuchtete Geschäfte trat oder gutgekleidete Menschen ansprach, damit sie keine Aufmerksamkeit errege – leicht erfahren konnte. Wie Brieftauben, die das erste Mal an einem fremden Orte losgelassen werden, anfangs eine Zeitlang ziel
los umherflattern, ehe sie in der Richtung ihres Zieles davonschießen, so schwankte auch die Marquise schüchtern hin und her, bis sie sich sicher glaubte, und stürmte dann rasch dem Hafen zu, der ihr als Ziel bezeichnet war.
    Sie hatte keinen Hut, nichts auf ihrem Kopfe als eine große Haube, die vor langer, langer Zeit von Sally Braß getragen worden war, deren eigentümlichen Geschmack für Kopfputz wir bereits kennengelernt haben, und ihre Eile wurde eher verzögert als unterstützt durch ihre Schuhe, die infolge ihrer Größe und der ganz niedergetretenen Absätze hin und wieder davonflogen und in dem Menschengedränge nur mit Mühe wieder aufgefunden werden konnten. Tatsächlich war das arme Ding so in Not und wurde so aufgehalten dadurch, daß sie ihre Schuhe aus dem Schmutz und den Gossen hervorsuchen mußte, hatte außerdem bei diesen Forschungen so viele Püffe, Stöße und Quetschungen auszuhalten und wurde so hin und her geschleudert, daß sie, als sie die Straße erreichte, in der der Notar wohnte, völlig ermattet und erschöpft war und sich der Tränen nicht erwehren konnte.
    Aber einmal dort zu sein war schon ein großer Trost, zumal da sie in den Bürofenstern noch Licht bemerkte und deshalb noch hoffen durfte, nicht zu spät gekommen zu sein. Die Marquise trocknete also die Augen mit ihrem Handrücken, stahl sich sachte die Stufen hinauf und guckte durch die Glastür.
    Herr Chuckster stand hinter dem Deckel seines Pultes und schickte sich an, Feierabend zu machen, indem er seine Manschetten und Jabots herauszupfte, seinen Hals anmutiger in die Krawatte schnallte und mit Hilfe eines kleinen, dreieckigen Stückchens Spiegelglas heimlich seinen Backenbart in Ordnung brachte. Vor der Asche des Feuers standen zwei Herren, von denen sie den einen mit Recht für den Notar, den andern aber, der eben seinen Überrock zuknöpfte und augen
scheinlich im Begriff war, fortzugehen, für Herrn Abel Garland hielt. – Nachdem die kleine Spionin diese Beobachtungen angestellt hatte, ging sie mit sich zu Rate und kam zu dem

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