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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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im Übermaß seiner Kriecherei sich fast bis auf den Boden verbeugte, »wohin führt das alles? Wozu, meine Herren, glauben Sie, führte es mich? Könnten Sie wohl annähernd das Ziel erraten?«
    Niemand sprach. Braß stand eine kleine Weile schmunzelnd da, als ob er irgendeinen auserlesenen Schwank vorgebracht hätte, und fuhr dann fort:
    »Um mich also kurz zu fassen, dahin hat es mich geführt: Wenn die Wahrheit ans Licht gekommen ist, und zwar so hell, daß man ihr nicht trotzen kann – und es ist etwas gar Großes und Erhebendes um die Wahrheit, meine Herren, obgleich sie, wie andere große und erhabene Dinge, zum Beispiel Donnerwetter und dergleichen, keine allzu große Freude bei denen, die Zeugen sein müssen, erregt –, so halte ich es für besser, auf diesen Menschen loszugehen, als daß ich ihn auf mich losgehen lasse. Es ist mir klar, daß ich ausgespielt habe. Wenn daher jemand lachen soll, so ist es besser, daß ich es tue und so im Vorteil bin. Liebe Sara, relativ genommen stehst du frei da. Ich erzähle diese Umstände nur in meinem eignen Interesse.«
    Hierauf entdeckte Herr Braß in großer Eile die ganze Geschichte, indem er so viel als möglich seinen liebenswürdigen Auftraggeber belastete, sich selbst aber gewissermaßen als Heiligen und Frommen hinstellte, obgleich er zugab, daß er nicht ganz frei von menschlichen Schwächen sei. Er schloß mit den Worten:
    »Nun, meine Herren, ich bin nicht der Mann, der eine Sache nur halb tut. Stehe ich für einen Penny ein, so bin ich auch bereit, es auf ein Pfund ankommen zu lassen. Sie mögen nach Ihrem Gutdünken mit mir verfahren und mich dorthin brin
gen, wohin es Ihnen beliebt. Wollen Sie es schriftlich haben, so können wir es im Augenblick zu Papier bringen. Ich bin überzeugt, daß Sie schonend mit mir umgehen werden. Sie sind Ehrenmänner und haben mitleidige Herzen. Die Not drängte mich, Quilps Anforderungen nachzugeben; denn obgleich die Not kein Gesetz kennt, so hat sie doch ihre Advokaten. Auch bei Ihnen füge ich mich der Notwendigkeit, unterwerfe mich auch aus Klugheit und gebe Gefühlen nach, die schon geraume Zeit in mir rege waren. Bestrafen Sie Quilp, meine Herren! Lasten Sie schwer auf ihm! Zermalmen Sie ihn! Treten Sie ihn mit Füßen! Er hat es mit mir seit langer, langer Zeit ebenso gemacht.«
    Nachdem Sampson seine Rede also geschlossen hatte, beschwichtigte er den Sturm seines Zornes, küßte abermals seinen Handschuh und lächelte, wie nur Parasiten und Schmarotzer lächeln können.
    »Und dies«, sagte Miß Braß, indem sie ihren Kopf hob, den sie bisher auf die Hände gestützt hatte, und den Sprecher von oben bis unten mit bitterem Hohn betrachtete, »dies ist also wirklich mein Bruder! Dies mein Bruder, für den ich mich abgemüht, für den ich gearbeitet habe und von dem ich glaubte, daß er etwas von einem Mann an sich hätte!«
    »Liebe Sara«, entgegnete Sampson, indem er sanft seine Hände rieb, »du störst unsere Freunde. Außerdem – du hast dich in deinen Hoffnungen getäuscht, Sara, du weißt nicht, was du sagst, und stellst dich daher bloß.«
    »Ja, du armselige Memme«, erwiderte die liebenswürdige Dame, »ich verstehe dich. Du fürchtetest, ich möchte dir zuvorkommen. Aber meinst du, ich hätte mir nur ein Wort entlocken lassen? Mit Hohnlachen würde ich sie zurückgewiesen haben, und wenn sie mich zwanzig Jahre verhört und vor den Gerichten herumgeschleppt hätten.«
    »Hi hi!« lachte Braß einfältig, denn in seiner tiefen Erniedrigung schien er wirklich sein Geschlecht mit dem seiner Schwester vertauscht und ihr jeden Funken von Männlichkeit, der möglicherweise in ihm hätte glimmen können, übertragen zu haben. »Das glaubst du nur, Sara, das glaubst du vielleicht; aber du würdest ganz anders gehandelt haben, mein guter Kerl. Du hast doch den Grundsatz des Füchschens nicht vergessen – unseres verehrten Vaters, meine Herren –: ›Traue keinem Menschen.‹ Dies ist das Prinzip, das einem durchs Leben hilft! Wenn du in der Tat nicht schon im Begriff warst, deine Sicherheit zu erkaufen, als ich mich zeigte, so vermute ich doch, daß du es jetzt bereits getan haben würdest. Und deshalb habe ich es selbst getan und dir sowohl die Mühe als die Schande erspart. – Die Schande, meine Herren«, fügte Braß hinzu, indem er sich ein wenig übermannen ließ, »wenn von einer solchen die Rede ist, ruht auf mir. Es ist besser, wenn ein Frauenzimmer davon verschont bleibt.«
    Trotz aller Achtung vor der

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