Der Raritätenladen
besseren Einsicht des Herrn Braß, insbesondere aber vor der Autorität seines großen Vorfahren, möchten wir doch in Demut bezweifeln, ob das erhebende Prinzip, das der letztere Herr empfohlen und sein Nachkomme so treulich befolgt hatte, auch immer ein kluges ist oder erprobtermaßen die gewünschten Resultate zur Folge hat. Dies ist jedoch fraglos nur ein kecker und anmaßender Zweifel insofern, als viele und ausgezeichnete Charaktere, die man Weltmänner, durchtriebene Burschen, schlaue Füchse, verschmitzte Gesellen, Kapitalgeschäftsleute und dergleichen nennt, diesen Grundsatz zu ihrem Leitstern und Kompaß gemacht haben und Tag für Tag noch machen. Doch mag es gestattet sein, ein solches Bedenken höflich anzudeuten. Als einen Beleg hierfür erlauben wir uns zu bemerken, daß Herr Braß sich am Ende wohl weit besser aus der Sache gezogen hätte, wenn er nicht
allzu argwöhnisch gewesen wäre und die Behandlung der Geschichte, ohne zu horchen und durchs Schlüsselloch zu gucken, seiner Schwester überlassen hätte; oder wenn er, falls er schon horchte und durchs Schlüsselloch guckte, sich nicht so gar sehr beeilt hätte, ihr den Rang abzulaufen, was gleichfalls unterblieben wäre, wenn ihn nicht Mißtrauen und Eifersucht dazu gedrängt hätten. So wird es immer kommen, daß diese berufsmäßigen Spitzbuben, die im Harnisch aufziehen, sich ebensooft gegen das Gute als gegen das Böse wehren; abgesehen von der Unbequemlichkeit und Abgeschmacktheit, allezeit mit einem Mikroskop die Wache beziehen und bei den unschuldigsten Anlässen sich in einen Panzer schnallen zu müssen.
Die drei Herren sprachen einige Augenblicke miteinander. Nach Schluß ihrer sehr kurzen Beratung deutete der Notar auf Schreibmaterialien, die auf dem Tische lagen, und teilte Herrn Braß mit, daß er, wenn er seine Aussagen schriftlich abzugeben wünsche, hierzu Gelegenheit habe. Gleichzeitig fühlte er sich veranlaßt, ihm zu sagen, daß er sie sogleich zu einem Friedensrichter begleiten und daß er in allem, was er tue oder sage, sich ganz von seiner eignen Klugheit leiten lassen müsse.
»Meine Herren«, sagte Braß, indem er seine Handschuhe auszog und im Geiste vor ihnen im Staube kroch, »ich will der Schonung, mit der Sie mich, wie ich weiß, behandeln werden, Ehre machen; und da ich, ohne eine solche Schonung jetzt, da diese Enthüllung gemacht ist, von allen dreien im schiefsten Lichte dastehe, so dürfen Sie sich darauf verlassen, daß ich alles aussagen werde. Herr Witherden, eine Art von Schwäche umnachtet mein Gehirn; wenn Sie mir die Gunst erweisen wollten, zu klingeln und einen heißen, würzigen Trunk zu bestellen, so würde ich, ungeachtet alles Vorhergegangenen,
ein wenn auch trauriges Vergnügen darin finden, das Glas auf Ihre Gesundheit zu leeren. Ich hatte gehofft«, fügte Braß hinzu, indem er schmerzlich lächelnd umhersah, »eines Tages euch drei Herren hinter dem Mahagonitisch meines bescheidenen Besuchszimmers in Bevis-Marks zu sehen. Aber Hoffnungen zerstieben. Du mein Himmel!«
Herr Braß fühlte sich nunmehr so ungemein ergriffen, daß er nichts mehr sprechen oder tun konnte, bis eine Erfrischung gebracht wurde. Nachdem er sich gelabt hatte, und zwar ausgiebig für jemand, der so aufgeregt war wie er, setzte er sich zum Schreiben nieder.
Die liebliche Sara schritt, während ihr Bruder so beschäftigt war, bald mit verschränkten Armen, bald die Hände auf dem Rücken verschlungen, mit männlichen Tritten im Zimmer auf und ab und unterbrach nur manchmal ihre Wanderung, um ihre Dose herauszuziehen und an dem Deckel zu kauen. Sie setzte diese Leibesübung fort, bis sie ganz ermattet war, und warf sich dann auf einen Stuhl in der Nähe der Tür und schlief ein.
Man hat seitdem nicht mit Unrecht vermutet, daß dieser Schlummer nur Schein und Heuchelei gewesen, da es ihr gelungen war, in der Dunkelheit des Nachmittags unbemerkt zu entschlüpfen. Ob dies ein absichtlicher und wohl bewußter Abgang war oder ob sie sich in einem somnambulen Zustand verabschiedete, mag ein strittiger Punkt bleiben; aber in einem, und zwar im hauptsächlichsten Punkt stimmten alle Beteiligten überein: mochte sie in was immer für einem Zustand weggegangen sein, zurück kam sie jedenfalls nie.
Da wir bereits der Dunkelheit des Nachmittags gedachten, so wird man daraus folgern, daß Herr Braß eine geraume Zeit zur Vollendung seiner Arbeit brauchte. Er wurde nicht vor Abend fertig; als er endlich so weit war, fuhren dieser
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