Der Raritätenladen
fassen.
Inzwischen hatten sich der ledige Herr, der Notar und Herr Garland in ein Kaffeehaus begeben und von hier aus an Miß Sally Braß ein Schreiben geschickt, in dem sie in kurzen und geheimnisvollen Ausdrücken ersucht wurde, einen unbekannten Freund, der sich mit ihr zu besprechen wünsche, so schleunig als möglich mit ihrem Besuch zu beehren.
Dies Schreiben entsprach seinem Zweck so gut, daß zehn Minuten nach der Rückkehr des Boten, der die richtige Ablieferung anzeigte, Miß Braß persönlich gemeldet wurde.
»Ich bitte, Ma'am«, sagte der ledige Herr, den sie allein im Zimmer fand, »setzen Sie sich.«
Miß Braß nahm mit ungemein steifer und kalter Förmlichkeit Platz, dem Anschein nach – wie es auch der Fall war –
nicht wenig überrascht, als sie entdeckte, daß ihr Mietsmann und der geheimnisvolle Korrespondent eine Person seien.
»Sie erwarteten wohl nicht, mich zu sehen?« fuhr der ledige Herr fort.
»Ich habe nicht viel darüber nachgedacht«, versetzte die Schöne, »sondern nahm an, es handle sich um eine Geschäftssache irgendwelcher Art. Wenn es sich um die Wohnung handelt, so haben Sie entweder meinem Bruder ordnungsgemäß zu kündigen, verstehen Sie, oder Sie müssen zahlen. Das ist eine leichte Lösung. Sie sind die verantwortliche Partei, und in einem solchen Fall ist gesetzliches Geld und gesetzliche Aufkündigung so ziemlich das gleiche.«
»Ich bin Ihnen verbunden für diese gute Meinung«, entgegnete der ledige Herr, »und bin ganz mit Ihren Ansichten einverstanden. Aber das ist nicht der Handel, über den ich mit Ihnen zu sprechen wünsche.«
»Ah«, sagte Sally, »dann wollen Sie mir nur die Einzelheiten angeben. Vermutlich handelt es sich um eine Geschäftssache, die in unser Fach einschlägt!«
»Nun ja, es hat allerdings Beziehung zur Justiz.«
»Sehr wohl«, entgegnete Miß Braß. »Sie können sich ebensogut an mich als an meinen Bruder wenden. Was die Entgegennahme von Instruktionen oder das Erteilen eines Rates betrifft, so kann ich Ihnen zur Zufriedenheit dienen.«
»Da jedoch außer mir noch andere Parteien beteiligt sind«, sprach der ledige Herr, indem er die Tür des Nebenzimmers öffnete, »so tun wir wohl besser, die Sache gemeinschaftlich zu besprechen. Miß Braß ist da, meine Herren!«
Herr Garland und der Notar traten mit sehr ernsten Mienen ein, rückten ein paar Stühle zur Rechten und Linken des ledigen Herrn und bildeten so eine Art Mauer um die zarte Sara, die sie in eine Ecke zwängten. Ihr Bruder Sampson würde
unter solchen Umständen gewiß Verwirrung und Angst an den Tag gelegt haben; sie aber, ohne im mindesten aus der Fassung zu kommen, zog ihre Dose heraus und nahm eine Prise Schnupftabak.
»Miß Braß«, sagte der Notar, der in diesem Moment das Wort ergriff, »wir Leute vom Fach verstehen einander, und wenn wir wollen, können wir das, was wir zu sagen haben, in wenigen Worten zusammenfassen. Sie haben in öffentlichen Blättern kürzlich eine entlaufene Magd ausgeschrieben?«
»Wohl«, versetzte Miß Sally, während eine plötzliche Röte ihre Züge überflog, »und was weiter?«
»Sie ist aufgefunden, Ma'am«, sagte der Notar, der mit einer raschen Schwenkung sein Schnupftuch herauszog; »sie ist aufgefunden.«
»Wer hat sie gefunden?« fragte Sara hastig.
»Wir, Ma'am – wir drei. Erst gestern abend, sonst würden Sie schon früher von uns gehört haben.«
»Und nun ich von Ihnen gehört habe «, sagte Miß Braß, indem sie entschlossen ihre Arme übereinanderschlug, als wäre sie im Begriff, etwas bis zum letzten Atemzug in Abrede zu stellen, »was haben Sie mir zu sagen? Natürlich etwas, das sie sich zu ihren Gunsten eingebildet haben. Beweisen Sie es! – weiter sage ich nichts. Beweisen Sie es! Sie haben sie aufgefunden, sagen Sie. So mögen Sie denn erfahren, wenn Sie es nicht wissen, daß Sie die arglistigste, lügenhafteste, diebischste und heuchlerischste kleine Hexe aufgefunden haben, die je ans Licht der Welt trat. – Ist sie vielleicht hier in der Nähe?« fügte sie hinzu, indem sie spähend umherschaute.
»Nein, sie ist zur Zeit nicht hier«, versetzte der Notar, »aber sie ist ganz in Sicherheit.«
»Ha!« rief Sally, indem sie mit einem solchen Ingrimm eine Prise aus der Dose holte und zwischen den Fingern rieb, als
wäre sie im Begriff, der kleinen Magd die Nase abzudrehen; »sie soll von nun an in gehörige Sicherheit kommen; ich bürge Ihnen dafür.«
»Ich hoffe«, entgegnete der Notar. – »Ist es
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