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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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bei der ihm das Schweigen und die Abgeschiedenheit seines Schlupfwinkels sehr zustatten kamen –, war er zwei ganze Tage lang nicht aus seiner Höhle gewichen. Auch der dritte Tag fand ihn noch emsig an der Arbeit, und Quilp fühlte gar kein Verlangen, auszugehen.
    Es war der Tag nach dem Geständnisse des Herrn Braß und folglich derjenige, der Herrn Quilps Freiheit mit einer gewissen Beschränkung und ihn selbst mit der plötzlichen Mitteilung einiger mißliebiger und unwillkommener Tatsachen bedrohte. Da der Zwerg keinen anschaulichen Begriff von der Wolke hatte, die sich über seinem Hause zusammenzog, war er wie gewöhnlich sehr heiterer Laune. Und sobald er glaubte, daß die Rücksicht auf seine Gesundheit und seine Stimmung es fordere, ein wenig auszuspannen, unterbrach er die Gleich
förmigkeit seiner Beschäftigung durch Schreien, Heulen oder andere derartige unschuldige Zerstreuungen.
    Wie gewöhnlich war Tom Scott um ihn, der wie eine Kröte neben dem Feuer hockte und von Zeit zu Zeit, wenn ihm sein Meister den Rücken zuwandte, mit furchtbarer Genauigkeit dessen Grimassen nachahmte. Die hölzerne Figur war noch nicht verschwunden, sondern stand noch immer auf ihrem alte Platze. Das Gesicht, bösartig versengt durch die häufige Anwendung des rotglühenden Schüreisens und außerdem verziert durch einen Zehnpennynagel, der in die Nasenspitze eingeschlagen war, lächelte noch immer freundlich in seinen weniger zerrissenen Teilen und schien wie ein standhafter Märtyrer seinen Quälgeist zu neuen Unbilden und Verletzungen herauszufordern.
    Der Tag war selbst in den höchsten und hellsten Stadtteilen feucht, kalt und düster. An diesem niedrig gelegenen sumpfigen Orte hüllte der Nebel jeden Winkel und jede Ecke in eine dichte Wolke. Jeder Gegenstand auf nur zwei Ellen Entfernung war unsichtbar. Die Signallichter und Schutzfeuer auf der Themse waren machtlos unter diesem Leichentuche, und ohne die rauhe und schneidende Kälte der Luft oder hin und wieder den Ruf eines verirrten Bootsmanns, wenn er seine Ruder einzog und sich über seine Lage Sicherheit verschaffen wollte, hätte man sich den Strom selbst meilenweit entfernt denken können.
    So träge und langsam sich auch der Nebel bewegte, so war er doch so scharf und durchdringend, daß weder Tücher noch Pelzwerk Schutz gegen ihn verliehen. Er schien sich bis auf die Knochen der schaudernden Wanderer einzubohren und sie durch seine Kälte auf die Folter zu spannen. Alles fühlte sich feucht und frostig an. Die warme Flamme allein bot ihm Trotz und hüpfte und funkelte lustig. Es war ein Tag, um zu
Hause zu bleiben, sich an das Feuer zu drängen, Geschichten von Reisenden zu erzählen, die in solchem Wetter auf Mooren und Heiden ihren Weg verloren hatten, und den warmen Herd mehr als je zu lieben.
    Der Geschmack des Zwerges bestand, wie wir wissen, darin, einen Herd für sich zu haben, und wenn er zur Heiterkeit aufgelegt war, sich ohne Zeugen zu unterhalten. Keineswegs unempfindlich gegen die Behaglichkeit des warmen Stübchens, befahl er Tom Scott, den kleinen Ofen mit Kohlen zu füllen, gab seine Arbeit für heute auf und entschloß sich, lustig zu sein. Zu diesem Zweck zündete er neue Kerzen an und häufte noch mehr Brennstoff auf. Dann speiste er ein Beefsteak, das er selbst auf eine etwas wilde und kannibalische Weise zubereitet hatte, braute eine große Bowle heißen Punsches, zündete seine Pfeife an und setzte sich nieder, um den Abend heiter zu verbringen.
    In diesem Augenblick erregte ein leises Klopfen an der Hüttentür seine Aufmerksamkeit. Nachdem dies zwei- oder dreimal wiederholt worden war, öffnete er leise das kleine Fenster, steckte den Kopf hinaus und fragte, wer da sei.
    »Nur ich, Quilp«, antwortete eine Weiberstimme.
    »Nur du?« rief der Zwerg und streckte seinen Hals aus, um den Besuch besser ins Auge fassen zu können. »Und was bringt dich her, du Metze? Wie kannst du dich unterstehen, dem Schlosse des Menschenfressers nahe zu kommen, he?«
    »Ich bringe eine Nachricht«, versetzte seine Frau. »Sei nicht böse auf mich.«
    »Ist es eine gute Nachricht, eine angenehme Nachricht, eine Nachricht, über die man in die Höhe springen und mit den Fingern schnalzen möchte?« sagte der Zwerg. »Ist die liebe alte Dame tot?«
    »Ich kenne ihren Inhalt nicht und kann daher nicht sa
gen, ob die Nachricht gut oder schlimm ist«, entgegnete sein Weib.
    »Dann lebt sie noch«, sagte Quilp, »und es fehlt ihr nichts. Geh wieder heim, du

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