Der Raritätenladen
Entschlossenheit auf die Probe gestellt und seine ganze Seelenstärke gefordert worden wären, Kits leidenschaftlicher Eifer und seine Ungeduld würden zum mindesten so aufgestachelt worden sein, wenn er hätte hoffen können, daß sie schließlich zu Nells Glück und Freude führen würden.
Auch war er nicht allein in dieser Weise aufgeregt. Er hatte noch keine Viertelstunde sein Lager verlassen, als schon das ganze Haus in reger Geschäftigkeit war. Jedermann beeilte sich, etwas zur Erleichterung der Vorbereitungen beizutragen. Freilich, der ledige Herr konnte nichts tun, aber er beaufsichtigte alle übrigen und war beweglicher als jeder andere. Das Einpacken und die sonstigen Vorkehrungen gingen rasch vor sich, und mit Tagesanbruch war alles reisefertig. Jetzt wäre es Kit lieber gewesen, sie hätten sich nicht so beeilt, denn der gemietete Wagen sollte erst um neun Uhr anlangen, und es gab nichts, um die dazwischenliegenden anderthalb Stunden auszufüllen, als das Frühstück.
Ja, es gab doch noch etwas; Barbara. Barbara war natürlich sehr geschäftig; aber das war um so besser, Kit konnte ihr helfen, und das würde die Zeit besser vertreiben, als irgendein anderes, mühsam erdachtes Mittel. Barbara hatte gegen dieses Übereinkommen nichts einzuwenden, und Kit, den Gedanken weiter ausspinnend, der ihm über Nacht so plötzlich aufgetaucht war, begann zu glauben, daß Barbara ihm gut sein müsse, und daß auch er zweifellos Barbara zugetan war.
Wenn wir indes die Wahrheit sagen wollen, was natürlich geschehen muß und soll, so schien von dem ganzen kleinen Haushalt Barbara den geringsten Gefallen an dem bei dieser Gelegenheit entfalteten Treiben zu finden, und als ihr Kit in seiner Herzensaufrichtigkeit sagte, wie froh und glücklich er sei, wurde Barbara noch niedergeschlagener und schien an dem Ganzen noch weniger Vergnügen zu finden als zuvor.
»Sie sind noch nicht so gar lange zu Hause, Christoph«, sagte Barbara, und wir können gar nicht beschreiben, mit welcher Gleichgültigkeit sie dies hervorbrachte, »Sie sind noch nicht so gar lange zu Hause, daß Sie nötig hätten, sich so sehr zu freuen, daß es wieder weiter geht, sollte ich meinen.«
»Aber um einer solchen Sache willen!« versetzte Kit. »Miß Nell wieder zurückzubringen! Sie wiederzusehen! Stellen Sie sich das nur vor! Ach, wie glücklich bin ich, denken zu dürfen, daß auch Sie, Barbara, sie endlich sehen werden!«
Barbara sagte nicht unumwunden, daß sie über diesen Punkt keine sonderliche Freude empfände, gab aber durch ein einziges kurzes Zurückwerfen ihres Kopfes deutlich zu verstehen, wie sie die Sache auffaßte, so daß Kit ganz verblüfft war und sich in seiner Einfalt nicht genug wundern konnte, warum sie sich ihr gegenüber so kühl verhielte.
»Ich weiß, Sie werden sagen, daß sie das allerschönste und süßeste Gesicht hat, das Ihnen je vorgekommen ist«, erklärte Kit, seine Hände reibend. »Ich bin überzeugt, Sie werden das sagen.«
Barbara warf wieder den Kopf in den Nacken.
»Was ist Ihnen denn, Barbara?« fragte Kit.
»Nichts«, entgegnete Barbara.
Und Barbara schmollte; nicht verdrießlich oder in einer häßlichen Weise, sondern gerade so viel, daß ihre Kirschenlippen noch einladender aussahen als sonst.
Es gibt keine Schule, in der ein Zögling so schnelle Fortschritte macht, als diejenige, in die Kit eintrat, als er Barbara den Kuß gab. Er sah jetzt, was Barbara meinte – er hatte seine Lektion auf einmal auswendig gelernt, sie war das Buch, und da lag es offen vor ihm aufgeschlagen, wie gedruckt.
»Barbara«, sagte Kit, »Sie sind mir doch nicht böse?«
Ach Gott, nein! Warum sollte Barbara böse sein? Was für ein Recht hatte sie, böse zu sein? Und was lag daran, ob sie böse war oder nicht? Wer kümmerte sich denn um sie !
»Ei, ich kümmere mich«, entgegnete Kit. »Natürlich kümmere ich mich um Sie!«
Barbara sah nicht ein, warum dies ›natürlich‹ sein sollte.
Kit war überzeugt, daß sie dies begreifen müsse. Ob sie nicht noch einmal darüber nachdenken wollte?
Gewiß, Barbara würde es gern noch einmal versuchen. Nein, sie sah durchaus nicht ein, warum es so ›natürlich‹ war. Sie begriff nicht, was Kit meinte. Und außerdem war sie überzeugt, daß man sie jetzt oben brauche, und sie müßte jetzt gehen, ja, ganz bestimmt.
»Nicht doch, Barbara«, sagte Kit, indem er sie sanft zurückhielt. »Lassen Sie uns als Freunde scheiden. Ich habe in meinem Unglück immer an Sie
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