Der Raritätenladen
getreue Mutter Barbaras, noch immer das Bübchen auf dem Arm tragend, als ob sie es nicht niedergesetzt hätte seit jenem traurigen Tage, da sie so gar wenig Hoffnung hatten, eine Freude wie diese zu erleben; da ist sie, Gott segne sie! weint sich fast die Augen aus und schluchzt, wie nie zuvor ein Weib geschluchzt hat. Und da ist die kleine Barbara – arme, kleine Barbara, so viel magerer und blasser und doch so hübsch –, zitternd wie Espenlaub und sich gegen die Wand stützend. Und da ist Frau Garland, netter und hübscher als je, die ohnmächtig niedersinkt, ohne daß ihr jemand Beistand leistete. Und da ist Herr Abel, der heftig seine Nase schneuzt und jedermann umarmen will. Und da ist der ledige Herr, der bei allen herumläuft und nirgends Ruhe findet. Und da ist der gute, liebe, bekümmerte kleine Jakob, der muttersee
lenallein auf der untersten Treppe sitzt, wie ein Alter die Hände auf seine Knie legt und fürchterlich brüllt, ohne damit jemand zu stören. Und alle samt und sonders sind derzeit ganz aus dem Häuschen und begehen in schönster Harmonie und jeder für sich allein alle möglichen Torheiten.
Und selbst als die übrigen wieder einigermaßen zu sich gekommen sind, so weit wenigstens, um ein Lächeln oder Worte finden zu können, wird Barbara, die weichherzige, zarte, törichte kleine Barbara, plötzlich vermißt, und man entdeckt sie im Hinterstübchen, in dem sie auf eigne Rechnung in Ohnmacht gefallen ist. Aus der Ohnmacht verfällt sie in Krämpfe, aus den Krämpfen wieder in Ohnmacht, mit einem Wort, es geht ihr so schlecht, daß sie sich trotz des Übermaßes von Weinessig und kaltem Wasser zum Schluß kaum wohler fühlt, als sie anfangs gewesen. Dann kommt Kits Mutter und sagt zu Kit, er solle zu ihr hineingehen und mit ihr sprechen, und Kit sagt: »Ja«, und geht hinein. Und er sagt mit freundlicher Stimme: »Barbara!« und Barbaras Mutter sagt ihr: »Es ist nur Kit!« und Barbara, deren Augen die ganze Zeit über geschlossen sind, sagt: »Oh! ist es aber auch wahr?«, und Barbaras Mutter sagt: »Gewiß ist es wahr, meine Liebe; jetzt ist alles wieder gut.« Und um ihr noch mehr zu versichern, daß er gesund und wohlbehalten ist, spricht Kit wieder zu ihr; und dann bekommt Barbara einen Lachkrampf, und dann bricht sie in Weinen aus, und dann nicken Kits und Barbaras Mutter einander zu und tun, als ob sie sie schelten wollten – aber, lieber Gott, nur um sie schneller zu sich zu bringen –, und da sie erfahrene Frauen sind und mit großem Scharfblick die ersten auftauchenden Symptome der Besserung bemerken, so trösten sie Kit mit der Versicherung: »Jetzt wird es ihr gleich besser werden«, und schicken ihn an den Ort zurück, von dem er gekommen war.
Also schön! An diesem Ort, der das anstoßende Zimmer ist, gibt es Weinflaschen und noch viele andere gute Dinge, die so großartig zur Schau stehen, als ob Kit und seine Freunde einer Gesellschaft ersten Ranges angehörten. Und da ist der kleine Jakob, der, wie der Volksmund sagt, mit unglaublicher Geschwindigkeit in einem zu Hause bereiteten Pflaumenkuchen ›watet‹ und kein Auge von den Feigen und Orangen verwendet, die nachher aufgetragen werden sollen; wie man denn überhaupt versichert sein darf, daß er seine Zeit aufs allerbeste benutzte. Kit ist kaum ins Zimmer getreten, als der ledige Herr – nie gab es wohl einen so geschäftigen Herrn – alle Gläser randvoll füllt, auf seine Gesundheit trinkt und ihm sagt, solange er lebe, werde es ihm nie an einem Freunde fehlen. Und dasselbe tut Herr Garland, und dasselbe tut Frau Garland, und dasselbe tut Herr Abel. Aber selbst diese Ehre und Auszeichnung ist noch nicht alles; denn der ledige Herr zieht sofort aus seiner Tasche eine massive silberne Uhr, die sehr laut tickt und auf eine halbe Sekunde richtig geht; und auf der Rückseite dieser Uhr ist Kits Name, über und über verschnörkelt, eingraviert; mit einem Wort, es ist Kits Uhr, die ausdrücklich für ihn gekauft wurde und ihm auf der Stelle zum Präsent gemacht wird. Und der Leser darf überzeugt sein, daß Herr und Frau Garland es nicht über sich bringen, keine Andeutungen über ihr beabsichtigtes Geschenk fallenzulassen, und daß Herr Abel geradeheraus sagt, er habe das seinige bereits bei sich, und daß Kit der Glücklichste unter den Glücklichen ist.
Es gibt noch einen Freund, den er nicht gesehen hat, und da dieser schicklicherweise nicht in den Familienkreis eingeführt werden kann, weil er ein
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