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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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gedacht. Mir wäre noch viel elender zumute gewesen, wenn ich nicht an Sie hätte denken können.«
    Guter Himmel, wie hübsch war Barbara, als sie errötete und als sie zitterte wie ein scheues Vögelchen.
    »Auf mein Wort, ich sage Ihnen die Wahrheit, Barbara; aber ich kann es nicht halb so gut ausdrücken, wie ich möchte«, sagte Kit. »Wenn ich will, daß Sie sich darauf freuen sollen, Miß Nell zu sehen, so geschieht es nur deshalb, weil es mir lieb wäre, wenn Ihnen das gefiele, was mir gefällt, das ist alles. Was sie anbelangt, Barbara, so glaube ich, ich könnte fast in den Tod gehen, um ihr einen Dienst zu leisten; aber auch Sie würden so denken, wenn Sie so mit ihr bekannt wären wie ich. Ja, gewiß.«
    Barbara war gerührt, und es tat ihr leid, daß sie sich so gleichgültig benommen hatte.
    »Sehen Sie, ich habe mich daran gewöhnt«, fuhr Kit fort, »von ihr fast so zu sprechen und zu denken, als ob sie ein Engel wäre. Wenn ich mir dann das Wiedersehen vorstelle, so denke ich an ihr Lächeln, das sie gewöhnlich hatte, und an ihre Freude, wenn sie mich wiedersieht, ihre Hand ausstreckt und sagt: ›Es ist mein lieber, alter Kit‹, oder sonst etwas Ähnliches, wie sie mich eben gewöhnlich begrüßte. Ich hoffe sie glücklich zu
sehen; in einem Freundeskreis und so aufgezogen, wie sie es verdiente und wie es gar nicht anders sein sollte. Wenn ich an mich denke, sehe ich mich als ihren alten Diener und als einen, der sie innig liebte als seine freundliche, gütige, sanfte Gebieterin und der für sie alles Ungemach auf sich genommen hätte – ja, und noch auf sich nehmen würde, wenn er ihr damit dienen könnte. Es gab eine Zeit, da fürchtete ich unwillkürlich, sie würde, wenn sie von Freunden umgeben zurückkäme, vergessen haben oder sich schämen, daß sie einen so geringen Burschen, wie ich einer bin, gekannt habe, und deshalb nur ganz von oben herab mit mir reden; das hätte mir weher getan, Barbara, weher, als ich sagen kann. Aber als ich wieder darüber nachdachte, da war ich überzeugt, daß ich ihr hierin Unrecht tue; und so hoffte ich denn wie einst weiter, daß ich sie einmal wiedersehen würde, gerade so, wie sie sonst zu sein pflegte. Diese Hoffnung und die Erinnerung an sie gaben mir das Gefühl, als müßte ich versuchen, ihr Freude zu machen und das zu sein, was ich gern in ihren Augen geschienen hätte, wenn ich noch ihr Diener wäre. Wenn ich dadurch besser geworden bin – und ich glaube nicht, daß es mich schlechter gemacht hat –, so bin ich ihr dafür zu Danke verpflichtet, und ich ehre und liebe sie daher nur um so mehr. Dies ist die reine, ehrliche Wahrheit, liebe Barbara; auf mein Wort, so ist es!«
    Die kleine Barbara war von Natur weder störrisch noch launenhaft, und da ihr jetzt das Gewissen schlug, so zerfloß sie fast in Tränen. Wozu diese Unterhaltung noch geführt haben würde, wollen wir hier nicht untersuchen; denn in diesem Augenblick ließ sich das Rasseln des Wagens vernehmen, und da unmittelbar ein heftiges Klingeln an der Gartentür folgte, wurde das geschäftige Treiben im Hause, das eine Zeitlang verstummt war, in zehnfache Aufregung und Überstürzung versetzt.
    Gleichzeitig mit dem Reisewagen langte auch in einer Mietdroschke Herr Chuckster an, der gewisse Papiere und Gelder mitbrachte und diese dem ledigen Herrn persönlich ablieferte. Sobald er sich dieser Pflicht entledigt hatte, zog er sich in den Kreis der Familie zurück, unterhielt sich mit einem Frühstück, das er stehenden Fußes oder auf und ab wandernd einnahm, und sah mit vornehmer Gleichgültigkeit dem Beladen des Wagens zu.
    »Der Schlüffel ist dabei, wie ich sehe, Sir?« sagte er zu Herrn Abel Garland. »Ich meinte, er käme nicht mit zu diesem Ausflug, weil zu erwarten stand, daß seine Gegenwart dem alten Büffel nicht sehr willkommen sein würde.«
    »Wem, Sir?« fragte Herr Abel.
    »Dem alten Großvater«, entgegnete Herr Chuckster etwas beschämt.
    »Unser Klient ist jetzt der Meinung, ihn mitzunehmen«, sagte Herr Abel trocken. »Eine solche Vorsicht ist nicht länger nötig, da meines Vaters Verwandtschaft mit einem Herrn, zu dem die Gesuchten volles Vertrauen haben, eine hinreichende Bürgschaft für die freundliche Absicht ihres Unternehmens sein wird.«
    »Ah!« dachte Herr Chuckster aus dem Fenster sehend, »jeder, nur ich nicht. Der Schlüffel wird natürlich mir vorgezogen. Zufälligerweise hat er nicht gerade diese Fünfpfundnote gestohlen; aber ich zweifle nicht im

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