Der Rattenfänger
er sie den Behörden übergibt«, sagte Josiah Woodburn. »Nach dem, was Sie mir erzählt haben, ist ihm das wohl nicht gelungen.«
»Wir haben die Skizzen in seinem Schlagstock entdeckt«, sagte Hawkwood. »Sie sind jetzt im Besitz der Admiralität.«
Der Oberste Richter hatte also mit seiner Vermutung Recht, dachte Hawkwood. Allein wegen dieser Konstruktionspläne ist die Kutsche überfallen und Lieutenant Ramillies ermordet worden. Durch einen glücklichen Zufall sind die Skizzen jedoch dem Uhrmacher und dann dem bedauernswerten Warlock in die Hände gefallen.
Der alte Mann stieß einen langen Seufzer aus. »Wir hatten wenig Zeit. Ich konnte nur noch schnell den Namen des Schiffs darauf kritzeln und hoffen, dass die Obrigkeit etwas damit anfangen kann.«
Ich lag also richtig mit meiner Vermutung, dass diese Buchstaben in aller Eile hingekritzelt wurden, dachte Hawkwood und sagte: »Wir wissen, dass Lee einen Anschlag auf die Thetis plant.«
Da funkelten die Augen des Uhrmachers, und er sagte erleichtert: »Gott sei Dank!« Plötzlich packte er Hawkwoods Arm und flüsterte ihm ins Ohr: »Mir liegt noch etwas auf der Seele, Officer Hawkwood. Ich bin aus einem anderen Grund nicht mit Officer Warlock geflohen. Das müssen Sie wissen.
Ich …«
In dem Moment wurde der Uhrmacher vom Klappern eines Schlüssels im Schloss unterbrochen. Dann wurde die Tür aufgestoßen. Der Uhrmacher warf schnell den Nagel wieder unter die Pritsche. Hawkwood fiel auf, dass die Türangeln geölt waren, so, wie die der Tür draußen. Deswegen hatte der Angreifer sie leise öffnen und ihn überrumpeln können.
William Lee betrat breit grinsend, eine Laterne in der Hand, das Verließ. »Wie ich sehe, haben die Gentlemen bereits Bekanntschaft geschlossen. Haben Sie gut geschlafen, Master Woodburn?« Dann starrte Lee Hawkwood an. »Sparrow hat mir erzählt, dass Scully tot ist. Ich habe mich schon gewundert, warum er nichts von sich hören ließ.« Mit gespielter Verärgerung schnalzte der Amerikaner mit der Zunge. »Ich muss zugeben, Officer Hawkwood, Sie sind wirklich ein Scheißkerl! Sie sind hartnäckig und haben unverschämtes Glück.«
Hawkwood schwieg.
»Haben Sie Scully getötet?«, fragte Lee.
»Nein«, antwortete Hawkwood knapp.
Lee starrte Hawkwood noch eine Weile an, ehe er mit den Schultern zuckte und sagte: »Das ist auch nicht von Bedeutung. Scully wurde mir sowieso ziemlich lästig. Aber jetzt fehlt mir ein Mann, und auf dieses Ärgernis könnte ich verzichten. Sie stellen meine Geduld wirklich auf die Probe, Officer Hawkwood.«
»Sie können nicht gewinnen, Lee«, sagte Hawkwood. »Meine Männer haben das Lagerhaus umstellt.«
Lee schüttelte den Kopf und lachte. »Sie lügen. Sonst würden wir uns hier nicht in aller Ruhe unterhalten. Nein, Sir, Sie sind allein hierher gekommen. Und es bedeutet, dass ich jetzt ganz nach Belieben mit Ihnen verfahren kann.«
Wenigstens habe ich Jago, dachte Hawkwood. Hoffentlich ist er noch auf seinem Posten.
Eine Bewegung hinter Lee erregte Hawkwoods Aufmerksamkeit. Das muss Sparrow sein, dachte Hawkwood, doch dann trat die Person neben Lee: schlanke Figur, dunkel gekleidet, eng anliegender Rock, dazu passende Kniehosen und schwarze Lederreitstiefel. Und plötzlich ergab alles einen Sinn.
»Guten Morgen, Matthew«, begrüßte ihn Catherine de Varesne, die Pistole in ihrer Hand direkt auf sein Herz gerichtet.
»Hallo, Catherine«, erwiderte Hawkwood lächelnd ihren Gruß.
»Wunderst du dich denn überhaupt nicht?«, fragte sie verblüfft.
Hawkwood berührte die Platzwunde an seinem Hinterkopf und sagte: »Es war dein Parfüm. Der Duft ist unverwechselbar.«
Catherine de Varesnes Augen funkelten amüsiert. Doch der Lauf ihrer Pistole blieb unverwandt auf ihn gerichtet.
»Na, ist das nun eine Überraschung, oder nicht?«, fragte Lee grinsend.
Hawkwood warf ihm nur einen kalten Blick zu.
»Catherine ist Napoleons beste Agentin, mein Freund. Und Sie hingen die ganze Zeit wie ein gieriger Fisch an ihrer Angel.«
Es gibt da gewisse höher gestellte Freunde, fiel Hawkwood Lees Bemerkung ein.
Er schloss die Augen und fragte sich, wie er nur so dumm hatte sein können und warum er diese Intrige nicht schon längst durchschaut hatte.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Catherine ihn noch immer anlächelte.
»Wir wussten, dass du mit der Aufklärung des Überfalls auf die Postkutsche beauftragt wirst«, sagte sie. »Und wir kannten deinen Ruf, Matthew, die
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