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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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wurde, denn am Ende des Ladekais blieb er abrupt stehen und sah sich um. Hawkwood wandte sich schnell ab und beobachtete dann, dass der Mann weiterging. Er ist vorsichtig, dachte Hawkwood. Er vergewissert sich, dass ihm niemand folgt, und das ist suspekt.
    Die beiden näherten sich dem Ende des Kais. Das Lagerhaus und der Holzplatz lagen direkt dahinter. Hier hielten sich nicht viele Menschen auf. Plötzlich bog der Mann zwanzig Schritte vor Hawkwood in einen Durchgang ein. Hawkwood blieb kurz stehen, rückte den Sack auf seiner Schulter zurecht und bog um die Ecke. Dort führte eine Holztreppe nach unten zu einer Tür. Der Mann stand davor, den Rucksack zu seinen Füßen, und steckte einen Schlüssel ins Schloss. Als Hawkwood mit der Stiefelspitze gegen die oberste Stufe stieß, blickte der Mann auf. Hawkwood konnte sein Gesicht nicht mehr abwenden. Die aufgerissenen Augen und der erschrockene Ausdruck des Kerls verrieten ihm sofort, dass er erkannt worden war.
    Sofort schleuderte Hawkwood den Zuckersack nach unten. Er prallte gegen die Brust des Mannes und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Das Messer, das er aus dem Gürtel gezogen hatte, schlidderte über den Boden. Hawkwood kletterte schnell hinunter und trat ihm kräftig zwischen die Beine. Er stieß einen gurgelnden Laut aus, sank in sich zusammen und presste die Hände auf seinen Unterleib. Hawkwood hob das Messer auf und drückte ihm die Spitze unter das unrasierte Kinn.
    »Na, Kumpel, ist das eine Begrüßung für einen Gesetzeshüter?«
    Anstelle einer Antwort kam nur ein leises Wimmern.
    Hawkwood bückte sich. »Was hast du gesagt? Ich habe es nicht verstanden.«
    Noch ein schmerzvolles Stöhnen.
    Hawkwood seufzte. »Also gut. Fangen wir mit deinem Namen an.«
    »S … Sparrow«, wisperte der Mann. »W … Will Sparrow.«
    »Du bist ein Kumpel von Ahle«, sagte Hawkwood.
    Sparrow starrte zu ihm hoch. »A … Ahle ist tot.«
    »Das weiß ich«, knurrte Hawkwood. »Ich war dabei, als er starb.«
    Sparrow wurde vor Angst aschfahl.
    »Also«, sagte Hawkwood, »was hast du hier in dieser Gegend zu suchen? Machst du Botengänge für William Lee? Überbringst du ihm die Nachricht, dass Ahle tot ist, wie? Ist es so, Sparrow? Ist Lee da drin?« Hawkwood zog den Rucksack zu sich heran und steckte eine Hand hinein. Er ertastete ein paar Flaschen, einen Laib Brot und etwas, das sich wie ein Stück Käse anfühlte. »Ist das etwa das Frühstück für eure Bande?«
    Hawkwood drückte Sparrow die Messerspitze so fest an den Hals, dass ein Tropfen Blut herausquoll. »Ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten, Kumpel. Unter vier Augen, wo uns niemand hört. Was hältst du davon?«
    Sparrow blinzelte ängstlich, rollte die Augen und stieß einen leisen Zischlaut aus. Da merkte Hawkwood, dass Sparrow an ihm vorbei zur Tür starrte. Der Runner drehte sich zu spät um. Er ahnte einen Schatten über seinem Kopf, hörte ein leises Geräusch und dann traf ihn hinter dem rechten Ohr ein Schlag, der seinen Schädel explodieren ließ.
    Noch im Fallen dachte er: Seltsam, dass ich mich zum zweiten Mal innerhalb nur weniger Stunden überrumpeln lasse. Das wird allmählich zu einer hässlichen Angewohnheit. Oder werde ich für diese Art Spielchen zu alt? Und sein zweiter Gedanke war: Hat der Schlag etwa auch meinem Geruchssinn geschadet? Er hätte schwören können, dass er einen schwachen, aber unverkennbaren Zitronenduft gerochen hatte.
    Dann verlor er das Bewusstsein.

17
    Hawkwood machte mühsam die Augen auf. Da sah er die Ratte. Ein riesiges Biest, mindestens fünfzig Zentimeter lang, von der Nase bis zum Schwanz. Weil es in den Lagerhäusern reichlich Nahrung gab, war sie fett und hatte ein glänzendes Fell. Furchtlos richtete sich die Ratte auf, hob die Vorderpfoten und schnupperte mit zuckenden Schnurrhaaren. Mehr neugierig als vorsichtig ließ sie sich wieder auf alle viere fallen und huschte über den Boden. Zwei Meter von Hawkwood entfernt, blieb sie sitzen und sah ihn mit kleinen glänzenden Augen erwartungsvoll an.
    Als Hawkwood eine Berührung an der Schulter spürte, zuckte er instinktiv zurück und bereute diese heftige Bewegung sofort, denn ein stechender Schmerz durchfuhr ihn.
    »Sachte, mein Junge, sachte«, redete jemand leise und beruhigend auf ihn ein. »Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.«
    Arme legten sich um seine Schultern, richteten ihn auf, bis er mit dem Rücken an die Wand gelehnt dasaß. Er fasste sich an den Hinterkopf und zuckte wieder zusammen, als er

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