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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Schwielen. Sie warf den Kopf in den Nacken, lachte laut und rief: »Komm her, Süßer! Lass die Kleine sausen. Molly zeigt dir, was eine richtige Frau draufhat!«
    Jenny presste sich dichter an Hawkwood, als ihnen das raue Gelächter der Hure durch die Gasse folgte.
    Mittlerweile waren sie tief in das Elendsviertel vorgedrungen. Hawkwood hatte völlig die Orientierung verloren, denn das Mädchen hatte ihn absichtlich in die Irre geführt. Er bezweifelte, ob er ohne ortskundige Führung je wieder in die Zivilisation zurückfinden würde.
    Die Gassen zwischen den eng aneinander stehenden Häusern wurden noch schmaler, und es wurde immer dunkler. Hawkwood fiel auf, dass sich kaum noch menschliche Wesen blicken ließen, so als wären sie von den Schatten verschluckt worden. Ob sie die Gassen meiden, weil ich hier aufgetaucht bin?, wunderte er sich.
    Plötzlich zerrte Jenny ihn durch einen niedrigen Torbogen und ein paar steinerne Stufen nach unten. Dort blieb sie vor einer massiven Holztür stehen. Dahinter hörte er Stimmen und andere Geräusche, kehlig und undeutlich, das Ganze vom Quietschen einer Fiedel übertönt. Als Jenny an die Tür klopfte, spürte Hawkwood ein Prickeln im Nacken. Dann wurde die Tür aufgerissen, und Hawkwood stolperte hinter dem Mädchen blindlings ins Dunkle.

5
    Es dauerte mehrere Sekunden, bis sich Hawkwoods Augen an das trübe Licht in dem großen, verräucherten Kellergewölbe gewöhnt hatten. Am hinteren Ende führte eine Holztreppe zu einer Ebene, die durch ein Geländer vom Schankraum getrennt war. An einer Wand erstreckte sich die aus leeren Fässern und blanken Brettern konstruierte Theke.
    An groben Tischen saßen Männer und Frauen, andere standen, Flaschen oder Krüge in den Händen, am Tresen. Die Gäste waren ausnahmslos ärmlich gekleidet, ihre Gesichter vom Hunger ausgezehrt oder vom Alkohol verwüstet. In der Ecke hockte ein Fiedler, und ein paar Männer grölten betrunken unflätige Lieder.
    Zwanzig Gäste oder mehr standen um den Hunde-Pit. Etwa ein halbes Dutzend stämmige Bullterrier, Muskelpakete, an die zwanzig Kilo schwer, mit vernarbten Körpern und kupierten Ohren, um dem Angreifer weniger Bissfläche zu bieten, zerrten an ihren Ketten. An Köderhunden mit teilweise geschorenem Fell lernten die Kampfhunde sich in besonders verwundbaren Körperteilen zu verbeißen. Neben dem Pit standen Fässer mit Mehl, das über kämpfende Hunde geschüttet wurde, um sie zu trennen. Das Mehl verstopfte ihre Nasen und zwang die Tiere, ihren Biss zu lockern, damit die Besitzer sie auseinander zerren konnten.
    In dem Gewölbe stank es nach Fusel, Rauch, Tabak, Sägemehl, ungewaschenen Körpern, Erbrochenem und Urin.
    Bei Hawkwoods Eintritt verstummten die Gespräche so abrupt, als würden alle Anwesenden gleichzeitig die Luft anhalten. In dem bedrohlich wirkenden Schweigen überlief es Hawkwood eiskalt.
    Zwei Männer mit Holzknüppeln in der Hand postierten sich hinter Hawkwood und blockierten die Tür. Jenny ließ seinen Ärmel los. Mehrere Hunde spürten die durch Anwesenheit eines Fremden angespannte Atmosphäre, fletschten die Zähne und knurrten böse.
    »Na, so was, wen haben wir denn hier? Der feine Herr hat sich wohl in der Tür geirrt, wie?«
    Hawkwood rührte sich nicht.
    »O Mann!«, sagte ein anderer. »Den kenn ich! Das ist ein verdammter Runner!«
    Mehrere Männer sprangen auf, Stühle scharrten über den Boden. Ein Hund bellte, eine Frau schrie. Eine Messerklinge funkelte im Kerzenlicht. Hawkwood merkte, dass sich Jenny verdrückte, und dachte: Sie hat ihre Rolle gut gespielt und mich in eine Falle gelockt. Wie konnte ich nur so dumm sein! Ich hätte mich umziehen müssen, ehe ich sie begleitete. An meiner Kleidung bin ich hier sofort als Außenseiter zu erkennen.
    Jemand räusperte sich laut und spuckte Hawkwood voller Hass direkt vor die Füße. Wie auf ein vereinbartes Signal gingen Männer mit gezückten Dolchen und Rasiermessern auf Hawkwood zu und umringten ihn. Hawkwood griff nach seinem Schlagstock.
    »LASST IHN IN RUHE!«, dröhnte in dem Moment eine Stimme. Der untersetzte, muskulöse Mann mit der Figur eines Ringers hätte ohne weiteres gegen Figg oder Reuben Benbow boxen können. Eine Hand auf das Treppengeländer gestützt, in der anderen einen schweren Knüppel aus Schlehdorn, blickte er auf Hawkwood hinunter. Er verharrte ein paar Sekunden in dieser Pose, bis er plötzlich den Mund zu einem breiten Grinsen verzog und mit ausgebreiteten Armen

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