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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Kutsche. Richten Sie ihm aus, dass er zwei Passagiere fahren wird. Wir kommen sofort.«
    Von dem bestimmten Ton in der Stimme des Richters angespornt, nickte Twigg beflissen und sagte: »Ja, Sir. Wird sofort erledigt.« Dann eilte er aus dem Büro.
    Als der Richter nach seinem Spazierstock griff, fragte Hawkwood möglichst ruhig: »Warum haben Sie mich nicht darüber informiert?«
    »Worüber?«, entgegnete James Read.
    »Über den Inhalt der Kuriertasche. Als Sie mir den Fall übertragen haben, wussten Sie doch, dass es die Räuber nicht auf den Schmuck der Passagiere abgesehen hatten – das war nur ein Ablenkungsmanöver –, sondern auf diese Dokumente.«
    »Ich habe diese Möglichkeit in Erwägung gezogen, konnte jedoch auch nicht ausschließen, dass es sich nur um einen gewöhnlichen Raubüberfall handelte. Daher hielt ich es für nicht relevant, die Kuriertasche und deren Inhalt in den Mittelpunkt der Ermittlungen zu rücken. Das hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt. Doch genug davon. Wir vergeuden kostbare Zeit.«
    »Sie hätten mir vertrauen sollen«, wandte Hawkwood ein.
    In den Augen des Richters blitzte Verärgerung auf, als er ungehalten entgegnete: »Es geht nicht darum, ob ich Ihnen vertraue. Sie in Unkenntnis zu lassen war nicht meine Entscheidung. In dieser Hinsicht waren mir die Hände gebunden. Wenn Sie jedoch wissen wollen, was wirklich hinter dieser Sache steckt, rate ich Ihnen, hier nicht den Beleidigten zu spielen, sondern mich zu begleiten.« Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte der Richter aus seinem Büro.
    Hawkwood fluchte leise. Wenn es nicht um Uhren ging, worum ging es dann? Und wie war der Inhalt der Kuriertasche in Warlocks Besitz gelangt? Nichts ergab einen Sinn.
    Erst als James Read dem wartenden Kutscher eine Anweisung zurief, erfuhr Hawkwood, wohin die Fahrt ging. Was noch weniger Sinn machte.
    Zum Marineministerium in Whitehall.

12
    Mit geschlossenen Augen überlegte Hawkwood, wie hoch die Strafe für das Erwürgen eines Adjutanten der Admiralität wohl wäre. Das unentwegte Kratzen der Schreibfeder über Papier war ihm zur Qual geworden. Es zerrte an seinen Nerven wie das Brummen eines ständig gegen eine Fensterscheibe fliegenden Insekts.
    Der Grund für Hawkwoods Verärgerung, ein Leutnant, den er auf höchstens sechzehn schätzte, war sich der Wirkung seines Tuns nicht bewusst. Doch jedes Mal, wenn der Leutnant in den vergangenen zehn Minuten den Kopf gehoben und gewagt hatte, den großen Mann mit den finsteren Gesichtszügen auf der gegenüberliegenden Bank zu betrachten, hatte ihn ein derart böser Blick getroffen, dass er schnell wieder die Augen gesenkt hatte.
    Deshalb reagierte der Leutnant mit sichtlicher Erleichterung, als die Glocke des Admirals klingelte. Er blickte kurz auf und sagte: »Sie dürfen jetzt eintreten.«
    Hawkwood stand auf und lockerte seine verkrampften Muskeln. Er hatte sich schon gefragt, ob der Oberste Richter ihn vergessen habe. Seit ihrer Ankunft im Ministerium und Reads Verschwinden im Sitzungssaal – Hawkwood war befohlen worden, im Vorzimmer zu warten – hatte ihn nur ein undeutliches Gemurmel hinter geschlossenen Türen davon überzeugt, dass seine Anwesenheit vielleicht doch noch erforderlich sein könnte.
    Hawkwood wappnete sich innerlich und öffnete die Tür.
    Außer dem Obersten Richter befanden sich noch drei ihm unbekannte Männer im Raum. James Read bedeutete ihm mit einer Geste näher zu treten. »Kommen Sie, Hawkwood. Diese Gentlemen sind begierig darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen. Darf ich vorstellen: Sir Charles Yorke, Erster Seelord, Chef des britischen Admiralstabs. Admiral Dalryde, Berater des Ersten Seelords, und Generalinspekteur Blomefield. Gentlemen, das ist Officer Hawkwood.«
    Die Herren möchten vielleicht meine Bekanntschaft machen, sie wirken aber ziemlich niedergeschlagen, dachte Hawkwood.
    Das Gesicht des Ersten Seelords war finster wie eine Gewitterwolke, möglicherweise lag das aber an der gedämpften Beleuchtung. Der Admiral – er saß hinter dem langen Tisch – musterte Hawkwood wie ein Stück Dreck, das er sich von der Stiefelsohle gekratzt hatte. Von den dreien zeigte nur Generalinspekteur Blomefield echtes Interesse. In den Augen des Mannes lag noch ein anderer Ausdruck, den Hawkwood allerdings nicht als Belustigung zu deuten wagte.
    Dann schweifte Hawkwoods Blick zu dem langen Tisch, auf dem die beiden Skizzen lagen.
    Der Erste Seelord sah James Read an und fragte: »Weiß er Bescheid?«
    Read

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