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Der Rattenzauber

Titel: Der Rattenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einen Dienst erweisen.«
    »Welcher ist das?«
    Von Schwalenberg knirschte mit den Zähnen, legte dann den Kopf schräg und zauberte ein schalkhaftes Blitzen in seine Augen. »Ihr müßt mich töten. Denn nicht einmal das kann ich selbst. All meine Waffen liegen oben im Haus. Aber ich kann dieses Lager nicht mehr verlassen.«
    Ich nickte müde. »Man sagt, ich hätte Erfahrung im Töten.«
    »Daran besteht kein Zweifel.«
    Ich stand auf, ging nach oben und suchte ein scharfes Messer aus der Waffentruhe. Damit kehrte ich zurück an sein Bett.
    »Wie wollt Ihr es tun?« fragte er.
    »Sagt Ihr es mir.«
    Er lächelte, aber es wirkte nicht traurig. »Wenn Ihr es nicht tut, werde ich in diesem Haus verhungern und verdursten. Niemand wird sich darum kümmern. Vorher treiben mich vielleicht die Schmerzen in den Wahnsinn. Deshalb macht es schnell und ohne großen Umstand.«
    Daraufhin schloß er die Augen und sagte nichts mehr.
    Also tat ich, was er verlangte. Ein Stich tief ins Herz, ein Schnitt durch die Kehle. Dann war es vorbei.
    Seine Hand umklammerte mein Knie. Eine Geste der Dankbarkeit.
    Ich verließ die Kammer, suchte mir einen Umhang und Hut und wartete eine Weile. Schließlich machte ich mich im Schutze der Dunkelheit auf den Weg. Es galt, einen weiteren alten Bekannten zu treffen.

    ***
    Das Haus lag still und finster da. In der Herberge brannte kein Licht. Ich stieg über die Hintertreppe und betrat leise das obere Stockwerk. Der Flur vor den Gästezimmern war verlassen und dunkel. Ich lauschte auf Geräusche, doch nichts war zu hören. Wer immer sich in der Herberge aufhalten mochte, er schlief. Ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis ich vor der Tür meiner einstigen Kammer stand. Noch einmal hielt ich den Atem an und horchte, ob sich etwas regte. Gut möglich, daß das Zimmer bereits an den nächsten Gast vergeben war. Trotzdem mußte ich nachsehen, ob sich mein Hab und Gut darin befand. Niemand, nicht einmal Gunthar von Wetterau, würde damit rechnen, daß ich hierher zurückkehrte.
    Ich schob die Tür einen Spalt auf und blickte ins Innere.
    In der Tat, auf dem Bett lag jemand. In der Dunkelheit waren kaum mehr als die groben Umrisse einer Gestalt auszumachen.
    Unendlich vorsichtig öffnete ich die Tür. Nur so weit, daß ich leise hineinschlüpfen konnte. Ich zog meinen Dolch und sah mich aufmerksam um. Der Fensterladen war geschlossen. Mit leichten Schritten schlich ich zum Tisch.
    Der Bronzekopf war fort. Nur mein geschnürtes Bündel lag auf dem Hocker. Auch das Schwert war noch da.
    Doch wo war der verdammte Schädel?
    Ich ergriff die Reste meiner Habe und hatte plötzlich Mühe, mich mit vollen Händen durch den Türspalt zu drücken. Während ich mich vollends verrenkte, um die Öffnung mit dem Knie zu verbreitern, fiel mein Blick noch einmal auf den Schläfer. Eine Strähne strohblonden Haars war unter der Decke hervorgerutscht.
    Maria mußte gehofft haben, daß ich zurückkehrte. Ich sah, wie sich die Decke über ihrem zarten Körper unmerklich hob und senkte.
    Ich zögerte, überlegte kurz und legte schließlich Bündel und Schwert auf den Boden. Lautlos und mit angehaltenem Atem trat ich ans Bett und beugte mich vorsichtig über das Mädchen, bis ich ihr Gesicht erkennen konnte. Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie vor dem Schlafen geweint, doch ihre Züge wirkten entspannt. Sie schlief so sanft und lieblich wie ein Kind.
    Ganz langsam schob ich mein Gesicht näher an das ihre.
    Der Drang, sie mit den Händen zu berühren, war allesbeherrschend; und doch tat ich es nicht.
    Leicht, so leicht, legte ich meine Lippen an ihre Wange und küßte sie. Sie schlief weiter.
    Ich zog mich zurück und nahm meine Sachen.
    Im selben Augenblick erwachte sie.
    »Ihr … Ihr seid es«, entfuhr es ihr stockend. Blitzschnell saß sie aufrecht.
    Ich legte den Zeigefinger an meinen Mund und bedeutete ihr, leise zu sein. »Ich muß fort, Maria. Und ich war niemals hier. Verstehst du? Du hast mich hier nicht gesehen.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte sie beinah empört. »Ich glaubte, man habe Euch hingerichtet. Alle sagen, Ihr hättet die Kinder getötet.« Dabei sprang sie auf und umarmte mich stürmisch. »Verzeiht mir, daß ich im Kerker nicht für Euch gelogen habe.«
    Ich streichelte sanft ihr langes Haar. »Wie hättest du lügen können? Nein, Maria, ich habe nichts anderes erwartet.«
    Das schien sie nicht wirklich zu beruhigen, denn sie preßte sich nur noch fester an mich. »Nehmt mich

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