Der Rauchsalon
bei der Frau den Eindruck
erweckt, als gehörte das Haus ihm.«
»Ganz sicher«, sagte Bittersohn. »Miss
Hartler hat sich bestimmt als alter Witwer ausgegeben, der ein Haus besaß, das
für ihn viel zu groß war, und dessen Investitionen nicht mehr so viel wie
früher abwarfen. Deshalb wollte er angeblich das ganze Zeug loswerden und sich
auf einen Alterssitz oder so etwas zurückziehen. Man kann es Außenstehenden
kaum übelnehmen, daß sie ihm die Geschichte abgekauft haben, nachdem sie erst
einmal das Haus von innen gesehen hatten. Die Kulisse war einfach ideal, und
für einen Amateur war die ganze Geschichte auch nicht schlecht organisiert.«
»Mr. Bittersohn, meinen Sie nicht auch,
daß Miss Hartler diesen Plan schon ziemlich lange vorbereitet hatte? Denken Sie
doch bloß an das Briefpapier aus dem italienischen Hotel. Das muß sie sich
schon vor Jahren besorgt haben, als sie und ihr Bruder mit Tante Marguerite
einen Urlaub in Italien verbracht haben, bloß damit sie später einen Brief
schreiben und herumliegen lassen konnte, in dem die Erklärung stand, warum sie
weggefahren war und warum sie wieder zurückkommen wollte. Und zwar genau im
richtigen Moment, nämlich für die Trauerfeierlichkeiten. Ich frage mich nur,
wie sie Mrs. Feeley gefunden hat, um bei ihr die ganze Zeit den armen alten
Wumps abzuladen.«
»Ich nehme an, durch eine Anzeige in
der Zeitung«, warf Mrs. Sorpende ein. »Es gibt oft Leute, die kleine Anzeigen
aufgeben, in denen sie anbieten, sich um ältere Menschen zu kümmern, die
liebevolle, freundliche Betreuung brauchen. Manchmal ist es ihnen ernst damit,
manchmal nicht. Diese Mrs. Feeley scheint dafür geradezu ideal. Sie wohnte nahe
genug bei Boston, so daß Miss Hartler leicht hin- und herfahren konnte. Sie ist
eine freundliche, verantwortungsbewußte und außerdem sehr einfache Frau mit
viel Gefühl, die daher besonders gut auf die Geschichte ansprach, die Miss
Hartler ihr auftischte. Die liebende Schwester, die versucht, das Beste für
ihren senilen alten Bruder zu tun, ohne ihn jedoch in ein Heim zu stecken. In
ein richtiges Pflegeheim konnte sie ihn nicht geben, weil dort alles geregelt
zugeht und man ihr nicht erlaubt hätte, ihn jederzeit, wenn es ihr gerade
paßte, abzuholen und mit ihm spazierenzugehen, weil das den Tagesablauf gestört
hätte. Da die Feeleys nicht nur sehr liebe Menschen sind, sondern auch keine
richtige Erlaubnis für ein solches Unternehmen besitzen, hat sie gedacht, sie
könnte sich darauf verlassen, daß sie niemandem etwas sagen würden, was auch
passierte.«
»Ich verstehe überhaupt nichts«,
jammerte Miss LaValliere. »Also, Sie sagen, daß Mr. Hartler, als er hier
wohnte, die ganze Zeit Miss Hartler war, ja? Und wenn er die Feeleys besuchte,
war er Miss Hartler, weil Mr. Hartler nämlich schon dort war, ja? Aber, ich
verstehe das nicht, wie konnte er das denn? Ich meine, wie konnte sie das denn?
Ich meine, ach, ich verstehe gar nichts mehr.«
Sarah tauschte ein verstohlenes Lächeln
mit Mrs. Sorpende aus. »Das kommt daher, daß Sie die Fotos nicht gesehen haben,
die Mrs. Feeley mitgebracht hat. Zuerst einmal sahen sich die beiden wirklich
sehr ähnlich, sie hatten sogar ganz ähnliche Stimmen. Sie haben es bloß nicht
bemerkt, weil er so fröhlich und lebhaft war und sie so niedergeschlagen und
weinerlich. Außerdem schien er größer und dicker zu sein, aber das konnte man
ganz leicht mit den hohen Absätzen und einem Sofakissen auf dem Bauch
Vortäuschen.«
»Ja, aber was war mit der Kleidung?«
»Das war am einfachsten. Mr. Hartler
trug immer einen Regenmantel aus Popelin und einen weichen, leicht formbaren
Tweedhut, das ist Ihnen sicher aufgefallen. Den Mantel konnte man wenden. Auf
der Popelinseite waren die Knöpfe rechts, wie bei einem Herrenmantel. Die
andere Seite war aus dunklem Tweed und geknöpft wie ein Damenmantel. Diesen
Mantel trug Miss Hartler auf den Fotos, und dazu gehörte noch ein langer
Wollschal und ein großes, weiches Barett mit gehäkelten Blumen. Wenn sie aus
Boston wegfuhr, hatte sie immer den Herrenhut auf, trug Schuhe mit hohen
Absätzen und hatte das Barett und den Schal in den Mantel gestopft, damit sie
dicker aussah. Irgendwo hat sie dann während der Fahrt den Mantel gewendet,
hatte dann also einen Tweedmantel an, hat sich das Barett, den Schal und ein
Paar Damenschuhe angezogen, das sie mitgebracht hatte, und den Herrenhut und
die hohen Schuhe in der Tasche versteckt, die sie immer bei sich trug.«
»Die
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