Der Rauchsalon
Frage, die meiner Meinung nach
noch dringend der Klärung bedarf«, sagte Mr. Porter-Smith, »ist die, wo Miss
Hartler ihren Bruder die ganze Zeit untergebracht hatte, nachdem sie ihn bei
den Feeleys abgeholt hatte und bevor man ihn tot im Public Garden gefunden hat.
Offenbar muß er doch zu Fuß dorthin gegangen sein, da man wohl kaum davon
ausgehen kann, daß die schwache ältliche Frau ihn getragen hat; er muß also ipso
facto während der gesamten Zeit noch gelebt haben. Wenn ich Sie richtig
verstanden habe, gehen Sie bei Ihrer Theorie davon aus, daß Miss Hartler ihren
Bruder in seiner Wohnung abholte, allein herkam, und zwar verständlicherweise
in Hochstimmung, ihn am selben Abend später wieder aufsuchte und mit ihm
zusammenblieb, bis sie zu der Stelle kamen, wo man dann auch seine Leiche
gefunden hat, und ihn dort ermordete. Das scheint mir eine solche
Meisterleistung zu sein, daß ich es kaum glauben kann.«
»Ach, Gene, Sie machen immer alles so
kompliziert«, sagte Miss LaValliere. »Wahrscheinlich hat sie ihn einfach in
irgend einem Kino abgeladen. Das hätte ich jedenfalls in einer solchen Situation
gemacht.«
»Nach dem, was Mrs. Feeley über den
Bruder erzählt hat, kann ich mir kaum vorstellen, daß Miss Hartler es gewagt
hat, ihn in der Öffentlichkeit allein zu lassen«, widersprach Sarah. »Ich nehme
an, sie hatte irgendwo ein Zimmer und hat ihn dort versteckt. Als sie hier das
erste Mal als Mr. Hartler aufgetaucht ist, hat sie mir erzählt, sie würde in
einer Pension in der Hereford Street wohnen. Ich vermute, das Zimmer lag noch
sehr viel näher am Public Garden, wahrscheinlich war es in der Nähe der Arlington
oder Berkeley Street. Sie hat das Zimmer nicht aufgegeben, als sie herzog und
vorgab, ihr Bruder zu sein. Sie hat ja nur ganz kurze Zeit hier gelebt, auch
wenn es wie eine Ewigkeit scheint. Ich würde sagen, sie ist mit ihm von den
Feeleys bis zur Savin-Hill-Station gegangen, sie sind mit der U-Bahn ein paar
Stationen gefahren und haben dann für den Rest des Weges bis zu diesem
Versteck, wo immer es auch war, ein Taxi genommen.«
»Aber warum haben sie nicht sofort ein
Taxi genommen?«
»Weil es dann einen Taxifahrer gegeben
hätte, der in der Gegend von Savin Hill arbeitete und der möglicherweise
ausgesagt hätte, daß er zum fraglichen Zeitpunkt zwei alte Leute mitgenommen
und zu einer Adresse in Back Bay gefahren hätte«, antwortete Bittersohn an ihrer
Stelle.
»Und vielleicht hätte er sich noch an
die Adresse erinnert«, sagte Sarah. »Führen die Fahrer nicht Buch oder teilen
ihrer Zentrale mit, wo sie hinfahren?«
»Hervorragend kombiniert, Mrs. Kelling.
Dadurch, daß Miss Hartler das Taxi zu einer anderen Haltestelle kommen ließ,
verringerte sie das Risiko, identifiziert zu werden.«
»Warum hätte sie denn überhaupt ein
Taxi nehmen sollen? Sie hätte doch genausogut bis zur Park Street durchfahren
und dann die Green Line nehmen können?«
»Sie waren alte Leute, und das hätte
bedeutet, daß sie viele Stufen hochgemußt hätten und außerdem riskiert hätten,
jemanden zu treffen, der sie vielleicht erkannt hätte. Der Bruder war sehr
labil und leicht erregbar und hätte sicher irgendwie Aufmerksamkeit erregt,
wenn sie längere Zeit in der Bahn geblieben wären. Ein Taxi war schneller und
sicherer. Wenn sie mit einem Taxi bei einer Pension vorfuhren und von einem
anderen Mieter erkannt wurden, wäre es außerdem leichter für Miss Hartler
gewesen, so zu tun, als sei sie ein guter Samariter und hätte nur dafür
gesorgt, daß ein armer alter Bursche sicher von einer Party nach Hause kam, wo
er einen über den Durst getrunken hatte. Dann konnte sie den alten Wumps in das
Zimmer einschließen, in dem sich die ganzen unechten Schätze aus dem
Iolani-Palast befanden, und Wumps wäre für eine gute Weile glücklich und
zufrieden gewesen. Sie hätte schnell wieder zurück zum Taxi gehen und sich zur
Savin-Hill-Station oder vielleicht zur Columbia-Station bringen lassen können,
um von dort aus mit der Red Line nach Savin Hill zu fahren, wo sie dann Mrs.
Feeley glauben machte, daß ihr Wumps weggelaufen war, woraufhin sie dann
schnell seine Sachen zusammenpacken und verschwinden konnte.«
»Aber wohin? Zurück zu ihrem Zimmer?«
»Nein, ich vermute, sie ist zuerst zu
dem großen Motel am Logan-Flughafen gefahren, ist dort unter einem falschen
Namen abgestiegen, und zwar mit dem Gepäck ihres Bruders, in dem sich auch ein
Großteil ihrer eigenen Sachen befand. Bestimmt hat
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