Der Rauchsalon
war Sarah
durchaus bereit, diese Entscheidung für sie zu fällen. Sie konnte ihr
schließlich nicht bis ans Ende ihrer Tage Preiselbeersaft über einer
tränennassen Decke servieren.
Wenigstens war Mrs. Hartler offenbar
aufgestanden, und es schien ihr wieder besser zu gehen, wenn sie sich dazu
aufgerafft hatte, die Leute kommen zu lassen, um sich ihre unechten Kunstwerke
abzuholen. Als Sarah in die Eingangshalle trat, kam Mrs. Hartler dann auch aus
ihrem Salon herausgeschossen, genauso wie es wohl auch ihr verstorbener Bruder
getan hätte.
»Oh, Sarah, da sind Sie ja. Ihr
Hausmädchen schien nicht zu wissen, wo Sie waren und wann Sie zurücksein
würden. Ich glaube fast, sie versteht die halbe Zeit nicht einmal, was ich
sage.«
»Ich bin sicher, daß Mariposa Sie sehr
gut versteht«, antwortete Sarah. »Wenn Sie allerdings inzwischen die
Hausordnung gelesen haben, müßten Sie wissen, daß das Personal allein mir
Rechenschaft schuldig ist.«
»Ja, ja, meine Liebe, und ich habe mich
auch bemüht, die Hausordnung zu befolgen. Ich weiß, daß ich in der Küche nichts
zu suchen habe, aber ich habe gedacht, jemand sollte den Koch wissen lassen,
daß das Abendbrot vorverlegt wird.«
»Vorverlegt? Ja, warum denn das?«
»Nun ja, meine Liebe, Sie wissen doch, daß
wir heute abend von Wumps Abschied nehmen, allerdings werden wir ihn nicht
richtig aufbahren können, weil der arme Wumps ja — aber natürlich werden ihm
bestimmt viele Leute die letzte Ehre erweisen wollen — und ich habe natürlich
angenommen-«
»Das wird doch sicherlich im
Beerdigungsinstitut stattfinden, nicht wahr? Sie wollen mir doch wohl nicht
sagen, daß Sie jemanden hier zu uns eingeladen haben?«
»Nun ja, nicht für heute abend. Aber
wir sollen alle von halb acht bis zehn Uhr dasein. Das heißt, wir müssen das
Abendessen um eine Stunde vorverlegen, um-«
Man mußte Sarah zugute halten, daß sie
es schaffte, mit ruhiger, klarer Stimme zu erwidern: »Miss Hartler, wenn Sie
gegen sechs Uhr ein Tablett auf Ihr Zimmer gebracht haben wollen, werde ich das
selbstverständlich gerne veranlassen. Danach kann Charles Ihnen ein Taxi rufen.
Aber die Mahlzeiten finden wie üblich statt. Sicherlich wird der eine oder
andere heute abend zum Beerdigungsinstitut gehen wollen, aber dazu bleibt auch
nach dem Essen noch genügend Zeit.«
»Aber Sarah, ich hatte so mit Ihrer
Hilfe gerechnet!«
Das ging ein bißchen zu weit. »Dann
haben Sie aber nicht sehr realistisch gedacht, würde ich sagen. Ich bin sicher,
daß Sie genug alte Freunde haben, die Ihnen nur zu gern bei den Beerdigungsformalitäten
helfen werden. Außerdem haben Sie ja auch noch den Beerdigungsunternehmer und
seine Angestellten, die alles für Sie erledigen können, dafür sind sie ja da.
Was mich betrifft, ich muß dafür sorgen, daß in diesem Riesenhaus alles
ordentlich läuft, und sechs Leute bezahlen mich gut dafür, daß ich mich hier
aufhalte. Meine Pensionsgäste arbeiten den ganzen Tag hart, kommen abends nach
Hause und erwarten, daß sie sich endlich entspannen können und ein leckeres
gutbürgerliches Essen vorgesetzt bekommen. Wenn ich sie enttäusche, mache ich
mich des Vertragsbruches schuldig. Auf jeden Fall habe ich nicht vor, das
Abendessen zu verlegen.«
»Aber in einem Trauerhaus-«
»Es tut mir leid, aber dies ist
keineswegs ein Trauerhaus. Dies ist eine Pension, und Ihr Bruder war mein
Pensionsgast. Ich weiß, daß es für Sie sehr hart klingt, aber Sie müssen meinen
Standpunkt auch verstehen. Ihnen mag Mr. Hartler ja alles bedeutet haben, aber
für mich war er nur ein flüchtiger Bekannter, und die anderen haben ihn letzten
Montag zum ersten Mal gesehen. Natürlich sind wir alle furchtbar schockiert
über das, was ihm zugestoßen ist, aber Sie können wirklich von niemandem
verlangen, daß er in Trauerkleidung herumläuft wegen eines Mannes, den er kaum
gekannt hat.«
Die Lippen der Schwester zitterten.
»Aber alle haben Wumps geliebt.«
»Ich bin sicher, daß seine Freunde ihn
geliebt haben«, sagte Sarah so verständnisvoll wie möglich. »Soll ich jemanden
für Sie anrufen? Ich verstehe ja gut, wie schmerzlich die Angelegenheit für Sie
sein muß, und ich bin auch bereit, für Sie alles zu tun, was in meiner Macht
steht. Haben Sie schon zu Mittag gegessen? Möchten Sie vielleicht einen
Käsetoast und ein Glas Preiselbeersaft auf Ihr Zimmer gebracht bekommen?«
»Oh nein, vielen Dank. Ich würde nicht
im Traum erwarten, daß Sie sich meinetwegen solche Umstände
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