Der Rauchsalon
müssen Sie das falsche Blatt
ausgesucht haben«, erwiderte Sarah. »Wenn Sie das annehmen, dann kann ich Ihnen
hiermit versichern, daß es mich auch nicht das geringste angeht, was meine
Gäste außerhalb des Hauses treiben, es sei denn, wie Mrs. Pat Campbell einmal
treffend bemerkte, sie treiben es auf der Straße und machen dabei die Pferde
scheu. Das gilt ganz besonders für eine Person, die offenbar ein höchst
untadeliges Leben geführt haben muß. Denn sonst wüßte sie bestimmt, daß es die
Polizei überhaupt nicht mag, wenn eine Vermieterin einen ihrer Mieter
hinaussetzt, während die Ermittlungen über den Mord an einem anderen Mieter
noch laufen. Ich kann daher nichts weiter tun, als mich bei Ihnen für alle
Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen im Moment bereite, in aller Form zu
entschuldigen, und muß versuchen, mit der Situation, so gut ich kann,
zurechtzukommen. Sehen Sie irgendein Zeichen dafür, daß die besagte Person
kooperieren wird?«
»Ich glaube, Sie können sich darauf
verlassen, daß die Person Sie voll und ganz unterstützen wird«, sagte Mrs.
Sorpende, wobei die Tränen in ihren Augen ihre beherrschte Haltung Lügen
straften.
»Gut. Und auf meine Unterstützung kann
sie sich auch verlassen. Ich sehe ein, wie ärgerlich es für eine professionelle
Wahrsagerin sein kann, wenn ihre Mitbewohner von ihr erwarten, daß sie ihnen
ohne Bezahlung außerhalb der Arbeitszeit gute Ratschläge gibt.«
»Wo wir gerade von professionell
sprechen...« Da die Eigentümerin gerade an ihrem Tisch vorüberging, um einen
älteren Herrn zu begrüßen, der offenbar ein gern gesehener Stammgast war, griff
Mrs. Sorpende wieder nach der Tasse und stocherte in den feuchten Resten herum.
»Ist Ihnen bekannt, daß Sie möglicherweise einen Pensionsgast beherbergen, der einen
völlig anderen Beruf hat, als er angegeben hat?«
»Und wer soll das sein?«
»Wenn Sie mich fragen, ist Ihr
attraktiver Schriftsteller ein Polizeibeamter in Zivil.«
Sarahs Herz setzte einen Schlag lang
aus. »Warum glauben Sie das?«
»Weil ich die zehn Meilen gegen den
Wind riechen kann. Ich habe kein völlig untadliges Leben geführt und bereits
diverse Erfahrungen hinter mir. Da Sie mich hier für gute Ratschläge bezahlen,
möchte ich Ihnen hiermit einen Ratschlag geben: Verschwenden Sie nicht zuviel
Zeit für Illustrationen, die wahrscheinlich niemals gedruckt oder bezahlt
werden.«
»Vielen Dank dafür, daß Sie es mir
sagen«, antwortete Sarah eine Idee undankbarer, als Mrs. Sorpende vielleicht
erwartet hatte. »Aber ich hoffe, Sie können Ihren Verdacht für sich behalten,
wenigstens, bis ich ein paar Nachforschungen angestellt habe. Wenn dieser Mann
mir tatsächlich etwas Vormacht, hat er vielleicht völlig einleuchtende und
möglicherweise wichtige Gründe für sein Handeln. Andererseits stimmen seine
Angaben vielleicht doch, und ich werde sehr wohl für meine Arbeit bezahlt
werden. Und, um ganz offen zu sein, ich könnte im Moment wirklich jeden Pfennig
gebrauchen.«
»Wer könnte das nicht?« Die innere
Spannung, unter der Mrs. Sorpende offenbar gestanden hatte, machte sich in
einem nervösen kleinen Kichern Luft. »Bitte denken Sie aber nicht, daß ich auf
ein Trinkgeld aus bin. Ich würde es nicht annehmen, wenn Sie es mir anböten.«
»Das trifft sich ja gut, denn ich
glaube, ich habe sowieso kein Geld mehr übrig.« Sarah legte ihre letzten drei
Dollar auf den Tisch, zog sich die Handschuhe an, griff nach ihrem Porzellan
und verließ die Teestube.
Als sie hinausging, schenkte ihr die
Besitzerin ihr schönstes Lächeln und sagte: »Ich hoffe. Sie beehren uns bald
wieder.« Sarah lächelte automatisch zurück, aber sie würde bestimmt nicht
wieder herkommen. Sie hatte das gefunden, was sie gesucht hatte, und sogar noch
ein wenig mehr.
Kapitel
18
A ls Sarah zurück zum Hill kam, sah sie,
daß ein Kombiwagen die Tulip Street blockierte, in den jemand gerade den
letzten einer ganzen Reihe von Gegenständen verstaute. Erleichtert stellte sie
fest, daß keines der Objekte jemals im Besitz der Kelling-Familie gewesen war.
Offenbar trennte sich Miss Hartler gerade von dem Zeug, das Wumps angesammelt
hatte, und je schneller dies über die Bühne ging, desto besser war es für sie
und die unglückliche Pensionswirtin.
Es wäre einfach wunderbar, wenn Miss
Hartler von sich aus beschließen würde, zurück nach Rhode Island zu ihren
Freunden und zu ihrer Kirche zu fahren. Wenn sie das nicht tat,
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