Der Rauchsalon
Nichte müde. »Ich habe wirklich dauernd versucht, dich
anzurufen, um dir alles zu erklären, aber zuerst war dauernd besetzt, und dann
warst du schon weg. Du kannst deine Freunde gern auf eine Tasse Tee
hereinbitten, wenn du magst. Ihr könnt Miss Hartler besuchen, aber ihr müßt in
der Bibliothek sitzen. Unser ehemaliger Salon ist nämlich ihr Schlafzimmer.«
»Mein Gott! Die arme Caroline dreht
sich bestimmt im Grab herum.«
Selbst Marguerite merkte, daß dies
keine besonders taktvolle Bemerkung war. Sie ging zum Eingang zurück und rief
ihre Freundinnen herein. »Hier lang, Mädels, gleich gibt es Tee. Das Klo ist
geradeaus, in der Eingangshalle, Iris, falls du gerade fragen wolltest. Zeig es
ihr, Sarah.«
»Man kann es jetzt nur noch durch das
vordere Schlafzimmer erreichen. Ich mußte alles ein wenig ändern. Sie können
aber meine Toilette benutzen, Mrs. Pendragon. Die erste Tür links oben direkt
an der Treppe. Miss Hartler, bitte kümmern Sie sich ein wenig um Ihre Gäste,
während ich den Tee vorbereite.«
Es würde tatsächlich Tee geben, obwohl
Sarah genau wußte, daß Marguerite und ihre Truppe etwas ganz anderes meinten,
wenn sie von Tee sprachen. Wenn sie ihnen keine Cocktails servierte, würde sie
das sicher schneller vertreiben als taktvolle Hinweise, Beleidigungen oder die
Androhung von physischer Gewalt.
Während Sarah die Teekanne anwärmte und
das Tablett vorbereitete, stellte sie sich vor, wie Miss Hartler sich bestimmt
gerade bei den Damen darüber beschwerte, wie unbeschreiblich gemein Sarah doch
gewesen war und wie wenig sie sich aus der schrecklichen Tragödie machte, der
ihr geliebter Wumps zum Opfer gefallen war. Zugegeben, es war wirklich eine
schreckliche Tragödie, und Sarah hatte sich auch gemein benommen. Aber sie war
durchaus entschlossen, noch viel gemeiner zu werden, wenn Miss Hartler die
Absicht zeigte, sich länger in diesem Haus aufzuhalten, nachdem der liebe Wumps
sicher unter die Erde gebracht worden war.
Sie schleppte das Tablett hinein und
bemerkte mit boshafter Genugtuung den Ausdruck schockierter Enttäuschung auf
den Gesichtern der Anwesenden, überließ es Tante Marguerite einzuschenken und
ging zurück in die Küche, um noch mehr Wasser aufzusetzen. Als sie gerade den
Kessel füllte, kam Mr. Bittersohn durch die Hintertür herein.
»Hallo, Mrs. Kelling. Was gibt’s
Neues?«
»Fragen Sie lieber nicht«, zischte sie,
»ich bin gerade dabei, einen Wutanfall zu bekommen, der sich gewaschen hat.«
»Aus irgendeinem bestimmten Grund?«
»Machen Sie nur mal kurz die Flurtür
auf.«
Er gehorchte. Die Druckwelle des
Geschnatters traf ihn wie ein Überschallknall.
»Mein Gott! Haben Sie etwa eine
Truthahnfarm aufgemacht?«
»Keineswegs. Das sind nur Tante
Marguerite und einige ihrer Freundinnen aus Newport, die vor ein paar Minuten
hier hereingeschneit sind und von mir erwarten, daß ich ihnen Abendbrot
serviere und sie heute nacht hier schlafen lasse. Und wenn Sie meinen, hier
wäre viel Betrieb, dann warten Sie mal bis morgen nachmittag. Netterweise hat Miss
Hartler sämtliche Freunde ihres geliebten Wumps eingeladen, nach der Beerdigung
herzukommen.«
»Warum zum Teufel lassen Sie diese Frau
das machen?«
»Sie hat mich gar nicht gefragt,
sondern alles ganz allein arrangiert. Und jetzt können wir auch nicht mehr
absagen, denn jeder hat herumtelefoniert und allen möglichen Leuten Bescheid
gesagt. Und keiner weiß mehr, wer benachrichtigt worden ist und wer nicht. Ich
habe dem Verein in der Bibliothek bereits gesagt, daß sie sich entweder im
Dunkeln in Ireson’s Landing zu Tode frieren oder auf eigene Kosten in ein Hotel
ziehen müssen. Vor ein paar Minuten habe ich mich sogar bei dem Wunsch ertappt,
Mr. Quiffen wäre wieder hier. Er mag zwar der unangenehmste Mensch gewesen
sein, den ich je gekannt habe, aber man wußte wenigstens, daß er scheußlich
war, und konnte dementsprechend handeln. Die Hartlers sind im Vergleich dazu
die reinsten Engel, aber sie haben mich inzwischen an den Rand des Wahnsinns
getrieben. Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen, irgend etwas zu sagen,
ich muß sowieso wieder hinein und Tante Marguerite kochendes Wasser über den
Rücken schütten.«
»Klingt wie ein fabelhafter Einfall.«
Bittersohn hielt ihr die Tür auf, und
sie ging mit dem heißen Wasser auf den Flur. Als sie mit einem Tablett voll schmutziger
Tassen zurückkam, war er immer noch in der Küche und verzehrte gerade einen der
Äpfel von Ireson’s
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