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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sehe zu, wie er an seiner Zigarette zieht. Er wendet den Kopf, und diesmal sehen wir uns an, ohne zu lachen, wir sehen uns an, um zu begreifen, ob es uns bereits leidtut, hier in großes Schweigen gehüllt zusammen zu hocken, statt in der Schule zu sein. Er schnippt die Kippe ins Wasser und sieht mich wieder an.
    Was siehst du wirklich von mir? Ich fühle mich gerade gut, und du?
    Ich schlage den Jackenkragen hoch und schmiege mich an ihn. Gabriele legt mir den Arm um die Schulter und fragt, ob mir kalt ist. Ich schüttele den Kopf. Mir geht es gut, ich fühle mich geborgen, doch das sage ich ihm nicht. Er versucht nicht, mich zu küssen, hält mich einfach nur fest.
    Jetzt ist das Meer wunderschön, und ich liebe diesen bleiernen Himmel.
    Gabriele fängt als Erster an zu reden. Er erzählt mir, letzten Sommer sei er mit einem Freund nach Griechenland gefahren.Er sagt, das Meer dort sei unfassbar blau. Ich muss lächeln, denn er klingt fast wie ein Kind, das gerade vom Karussell gestiegen ist. Er sagt, wenn er mit der Schule fertig sei, wolle er wieder hin, zur Not auch allein. Ich sage, ich sei noch nie in Griechenland gewesen und würde sehr gerne mal hin. Doch statt mich aufzufordern, ihn zu begleiten, ist er in Gedanken versunken, eingetaucht in das Blau seines Meeres, wo er niemanden braucht. Das ist das Gefühl, das Gabriele einem gibt: Er braucht nichts. In der Pizzeria war es genauso. Es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich nicht da gewesen wäre.
    Meine Mutter war einmal in Griechenland gewesen, als sie noch zur Uni ging. Auch sie bekam leuchtende Augen, wenn sie von dem Meer sprach. Sie nannte es das Meer der Götter, weil es unmöglich sei, nicht an etwas Ewiges zu denken, wenn man es in der Sonne funkeln sah. Und auch sie hatte gesagt, es sei das blaueste Meer, das sie je gesehen habe.
    Ich starre auf die Wellen vor mir und stelle sie mir an einem fernen Meeresufer vor. Sie sammelt salzweiße Muscheln und ist derart gebannt von deren wundersamem Zauber, dass sie nicht zu mir zurückkehren kann. Es ist wie der magische Kamm der Zauberin, der Gerda in einen Schlaf des Vergessens sinken lässt.
    Plötzlich zerreißt heftiger Donner die Stille. Wir sehen zum Himmel auf, der inzwischen noch dunkler und bedrohlicher geworden ist. »Vielleicht sollten wir besser gehen«, sagt Gabriele leise. Widerwillig löse ich mich aus der Umarmung, und wir stehen auf. Der Wind weht mir das Haar ins Gesicht. Ich krame ein Haargummi aus der Jeanstasche und will sie gerade zusammenbinden, als Gabriele mich an sich zieht und küsst.Es ist ein sanfter Kuss, und als wir uns voneinander lösen, kommt er mir ewig vor. »Wenn wir hierbleiben, riskieren wir eine Dusche«, sage ich, um die Betretenheit zu zerstreuen. »Wenn du willst, können wir zu meinem Freund Petrit in die Wohnung. Der ist jetzt bei der Arbeit«, sagt er und streicht mir das Haar aus dem Gesicht. Ich antworte nicht sofort, bestimmt sieht man mir meine Zweifel an. »Keine Bange«, sagt er belustigt, »ich falle nicht über dich her.« Ich werde knallrot und sage, ist gut, auch wenn ich vom Gegenteil überzeugt bin. Er küsst mich noch einmal, und wir gehen zum Roller zurück.
    Die besagte Wohnung befindet sich in einem Sechzigerjahre-Mietshaus am Stadtrand, eines dieser Gebäude, die weder alt noch neu sind und einen an einem trüben Sonntagnachmittag todtraurig machen können. Hier und da ist die Farbe abgeblättert, und unter den Balkonen sieht man die rostigen Eisenstreben. Von außen ist es potthässlich, doch als wir die Wohnung betreten, atme ich erleichtert auf, denn sie ist hell und ordentlich und man sieht, dass sie erst kürzlich gestrichen wurde: Es riecht nach Farbe, und die Wände sind blendend weiß. Die Einrichtung besteht aus wenigen zusammengewürfelten Möbelstücken, als wäre jemand gerade ausgezogen und hätte ein paar wertlose Gegenstände zurückgelassen.
    Gabriele zeigt mir sein Zimmer und erklärt mir, dass er inzwischen fast ständig hier wohnt und nur ganz selten nach Hause geht, weil er sich mit seinem Vater nicht versteht. Als ich ihn nach dem Grund frage, antwortet er nicht. Ich muss an seine Mutter am Elternsprechtag denken und hake nicht weiter nach; ganz offensichtlich ist der Vater nicht gerade sein Lieblingsthema.
    Sein Zimmer ist äußerst spartanisch und alles andere als eingerichtet.Das Bett besteht aus zwei aufeinandergelegten Matratzen. Der Nachttisch daneben ist in Wirklichkeit ein großer, runder Couchtisch. An der

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