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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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denke. Sie sah mich mit ihrem einzigartigen Lächeln an und murmelte: »Ständig.« Dann beugte sie sich zu mir und streichelte mich. »Bist du noch verliebt in ihn?«, fragte ich bang. »Nein, nicht mehr«, sagte sie, ohne mich anzusehen, und dabei blieb es. Ich wusste, dass sie mir die Wahrheit sagte, doch die Traurigkeit in ihrem Blick tat mir weh. In dem Moment fühlte ich mich schuldig für all die Dummheiten, die ich ihr wie eine gekränkte Göre an den Kopf geworfen hatte. Ich sah sie an, und zum ersten Mal wurde mir klar, wie einsam sie sich gefühlt haben musste und sich womöglich immer noch fühlte. Aber sie ist ja so jung, dachte ich, sie hat alle Zeit der Welt, um sich neu zu verlieben.

2. Dezember
    Was mache ich eigentlich um halb neun Uhr morgens unter einem bleiernen Himmel am Meer, mit einem Typen, den ich kaum kenne und den schon seit Jahren keiner mehr bei seinem richtigen Namen nennt? Vielleicht ist er wirklich ein verkappter Krimineller, allerdings hätte er mir dann an dem Abend im Mouse bestimmt nicht geholfen. Ein Arschloch macht sich nicht die Mühe, einen am Meer spazieren zu fahren und nach Hause zu bringen, sobald es einem besser geht. Ein Arschloch hätte es wie Giovanni gemacht, es hätte mich liegen lassen. Trotzdem bin ich unentspannt und weiß nicht, was ich sagen soll. Es war wirklich bescheuert von mir, ihm zu sagen, was der Rest der Klasse über uns denkt. Vielleicht glaubt er, ich sei hinter ihm her. Vielleicht bin ich es auch. An was denkst du, Zero, während wir schweigend nebeneinander hergehen, du mit deiner Zigarette, ich den Blick mal zum Himmel, mal auf meine Schuhspitzen gerichtet? Ich spüre ein seltsames Kribbeln im Magen, nicht, weil ich nicht gefrühstückt habe, sondern weil ich aufgeregt bin. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir nicht reden, denn wenn ich so aufgeregt bin, zittert meine Stimme und ich lächle dümmlich.
    Bei meinem ersten Kuss war ich so aufgeregt, dass ich zitterte. Mir ist kalt, habe ich zu Francesco gesagt und mein Gesicht an seiner Schulter vergraben. Zum Glück war es Winter und so eisig, dass es glaubwürdig klang. Als ich das erste Mal mit einem Jungen geschlafen habe, war ich betrunkenund ein bisschen entspannter. Wir waren auf Klassenfahrt in Rom, und in unserem Hotel hatten wir Jungs aus Florenz kennengelernt. Marco gefiel mir sofort, er war süß und lustig. Ich bin froh, es das erste Mal mit jemandem getan zu haben, den ich nicht wiedersehen musste. Rückblickend fand ich es gar nicht so toll, aber ich wollte wissen, wie es ist, fast alle meine Freundinnen hatten es getan, und wenn sie darüber redeten, kam ich mir total dämlich vor. Marco war (einigermaßen) behutsam und zärtlich, aber ein Fremder, und während ich ihn anfasste und umarmte, kam ich mir ebenfalls wie eine andere vor, wie eine Unbekannte, die ich beobachtete. Nach unserer Abfahrt am nächsten Morgen schickte er mir einen Haufen alberner SMS , und als ich wieder zu Hause war, rief er an und sagte, er wolle mich besuchen kommen. Ich sagte ihm, ich müsse lernen, und legte auf. Danach kamen noch ein paar SMS , die ich unbeantwortet ließ.
    Gabriele hat aufgeraucht. Ich folge der Flugbahn seiner Kippe, die er auf den Boden schnippt. Und was, wenn er es jetzt versucht?
    Doch er tut nichts und schweigt. Also bleibe ich ebenfalls stumm und schalte auf die gleiche Wellenlänge. Schließlich sind wir Zero und Zeta, wie Diabolik und Eva Kant. Worte? Reine Verschwendung.
    Während wir nebeneinander hergehen, fragt er mich plötzlich, ob ich rauchen will. Ich mache ein überraschtes Gesicht, doch er grinst, zieht ein stinknormales Zigarettenpäckchen aus der Jackentasche und zündet sich noch eine an. Grinsend steht er vor mir, die Sonne im Gesicht, die unversehens hinter einer großen, grauen Wolke hervorkommt und seine Augen zum Strahlen bringt.
    Er ist hübsch, wenn er lächelt: Jetzt kann ich sie sehen, all die Mädchen, die er gehabt hat. Bestimmt hatte er für sie mehr Worte parat als für mich, vielleicht nur albernes Gelaber, aber immerhin echte Worte, nicht dieses Schweigen, zu dem ich mich aus Stolz und Angst zwinge, um jemanden zu mimen, der ich nicht bin.
    Wir setzen uns in den Sand, er raucht, und ich blicke aufs Meer.
    Wenn ich bloß wüsste, was man alles tun und sagen muss. Wenn es bloß nicht so schwer wäre, einen Fehler machen zu wollen. Es gelingt mir nicht, mich auf die windzerzausten Wellen und die auf dem grauen Wasser wogende Gischt zu konzentrieren. Ich

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