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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schiebe mein Bein zwischen Gabrieles Knie und vergrabe mein Gesicht in seinem Sweatshirt. Jetzt will ich nicht daran denken, es hat Zeit bis morgen. Morgen. Wir schlafen wieder ein, einer im Arm des anderen. Zero und Zeta, in diesem Zerolandia, das nur unseres ist, Lichtjahre von der Erde entfernt.
    Als ich aufwache, ist es nach acht. Gleich ruft Nonna aus Ischia an, ich sollte besser gehen. Langsam setze ich mich auf und verharre eine Weile so, ohne wirklich gehen zu wollen. »Gehst du?«, fragt Gabriele. »Ja, es ist schon spät.« – »Okay«, sagt er, und mit leiser Stimme, in der ein bislang nie gehörter Funke Unsicherheit mitschwingt, schiebt er nach: »Kommst du morgen wieder?« Sanft und langsam streicht er mir über den Rücken, eine stille, eindringliche Frage, auf die ich keine Antwort weiß. »Und du, kommst du wieder in die Schule?«, frage ich zurück und stehe auf. Als ich mir die Schuhe zubinde, spüre ich seinen Blick, doch ich sehe nicht auf. Er antwortet nicht, vielleicht ist es besser so. »Mach, wie du denkst«, sage ich nur, greife nach meiner Jacke und gehe zur Tür. »Du auch«, höre ich ihn sagen, während ich die Tür hinter mir zuziehe.

Wenn du schläfst
    »Wann kommst du wieder?«
    »Wenn du schläfst.«
    Und ich schlief ein, und während ich schlief, kamst du zurück. Kaum wachte ich auf, rief ich nach dir, manchmal weinerlich und manchmal wütend, und du kamst. Du hattest dein Versprechen gehalten und warst zurückgekommen. Ich aus meinen Träumen, du aus der Welt da draußen. Manchmal dachte ich: Und wenn sie nicht wiederkommt? Dann wünschte ich, der Schlaf währte nur ganz kurz, nur einen flüchtigen Wimpernschlag, wie bei der Fee Isabella, die auf diese Weise alles geschehen ließ. Ich versuchte es und rief dich, bewegte lautlos die Lippen, flüsterte kaum, denn vielleicht sah die Fee Isabella mich und wollte nicht, dass ich es ihr gleichtat. Also wartete ich, und in der Stille des meist sommerlichen Nachmittags ließ ich meine Ängste im Schlaf zergehen. Beim Aufwachen war ich oft schweißnass.
    »Hast du im Schlaf Wettrennen gemacht?«, fragtest du mich, und ich setzte mich auf und drängte mich wie ein Welpe an dich, schlang meine Arme um dich, kroch auf deinen Schoß und kauerte mich zusammen, sehnsüchtig nach der Zeit, als ich noch nicht geboren war und wir eins waren und du niemals ohne mich fortgegangen wärst.
    »Ich hab dich gesucht und wusste nicht, wo du bist.«
    »Aber ich bin hier, Mama ist zurückgekommen.«
    Wann kommst du wieder? Wenn du schläfst. Auch jetztnoch muss ich daran denken, wenn ich aus unruhigem Schlaf erwache, abstürze, ohne zu fallen, wie manche Vögel im Flug. Wie früher setze ich mich langsam auf, und manchmal wird mir bewusst, dass ich nicht atme: Halten Vögel im freien Fall den Atem an? Vergessen sie auch zu atmen, wenn sie sich fürchten?

13. Dezember
    »Gabriele Righi«, ruft die Mathelehrerin laut. »Ist krank«, antworte ich. Alle drehen sich zu mir um, gleichzeitig. Die Mädchen ziehen die Augenbrauen hoch und tauschen perplexe Blicke, die Jungen glotzen mich verständnislos an.
    So hätte es sein sollen, doch als die Lehrerin ihn aufruft, bleibe ich stumm. Ich male kleine Blümchen in mein Aufgabenheft und zucke nicht mit der Wimper. Jetzt muss ich nicht mehr aufpassen, mit meinem Ellenbogen nicht in die andere Tischhälfte vorzudringen. Der Tisch gehört ganz und gar mir. Die Einsamkeit hat auch Vorteile, so muss man es sehen, das Glas ist halbvoll. Gestern Abend am Telefon wirkte Nonna heiter, das hat mich gefreut. Ischia sei sehr schön, nächsten Sommer nach dem Abi wolle sie mit mir hinfahren. Es macht mich traurig, wenn sie solche Dinge sagt, denn ich weiß, dass sie es nur tut, um mich und sich aufzumuntern. In unserer Verfassung werden wir beide nirgendwohin fahren. »Keiner weiß etwas von Righi?«, fragt die Mathelehrerin jetzt, und ich hebe noch nicht einmal den Kopf aus Schiss, ich könnte dem Blick irgendeines Lästermauls begegnen, das noch immer zu blöden Bemerkungen aufgelegt ist. Dennoch ist die Versuchung groß. Ich sollte sagen, Gabriele Righi kommt nicht mehr, da können wir noch so sehr hinter ihm her sein, er hat beschlossen, Maurer zu werden und pfeift drauf, hinterm Schreibtisch zu hocken und für einen Haufen Arschlöcher zu zeichnen. Aber ich sage es nicht, mache es wie er, versuche mirselbst genug zu sein, mich rauszuhalten. Ich schulde ihm nichts, wir sind nicht zusammen, wir sind keine Freunde. Zero. Dass

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