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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ich gestern zu ihm gefahren bin, war mehr als genug. Schon richtig, ich habe ihn gebeten wieder zur Schule zu kommen, bin ganz deutlich gewesen, doch in gewissen Momenten sagt man viel, wenn man betrunken oder gefühlsduselig ist zum Beispiel. Gestern habe ich mich einsam gefühlt und gedacht, er könnte das Gegenmittel sein. Das ist alles. Ich drehe mich zum Fenster und verharre einen Moment lang so, den Blick gedankenverloren ins Leere gerichtet. In welchem Job muss man sich am meisten die Taschen volllügen und auch noch daran glauben? Wenn ich das herausfände, wäre meine Zukunft gesichert.
    Am Ende der glücklicherweise letzten Stunde weiche ich sogar Sonia aus, die bereits darauf brennt, mir zu sagen, weshalb sie mich gestern sprechen wollte, und gehe direkt nach Hause. Ohne Mittag zu essen, mache ich mich sofort ans Lernen, doch sosehr ich versuche, mich auf Immanuel Kant zu konzentrieren, muss ich immer an gestern denken. Ich brauche nichts, sage ich mir immer wieder, ich kann auch allein sein. Schwachsinn, alles Schwachsinn, und das weiß ich. Ist schon albern, es wäre besser gewesen, wir hätten gestern miteinander geschlafen, statt einfach zu schlafen. Mit Sex hätte man eine Menge verbergen können. Doch so kann man sich nichts vormachen. Es ist diese ganze Zärtlichkeit, die mich verstört. Ich schulde ihm nichts, beharre ich, so was brauche ich nicht.
    Ich lerne noch eine Stunde, dann gehe ich ins Schwimmbad. Ich springe ins Wasser, und der Kontakt mit der Erde ist unterbrochen. Nur Wasser und Blau und gesichtslose Körper. Wie auf dem Foto, das ich als Bildschirmschoner auf dem PC habe, eine Unterwasseraufnahme, offenbar vom Grund aus gemacht, auf der man nur die dahingleitenden Körper sieht. Und man hört die Stille, blau wie das Wasser.
    Ich bin in Sicherheit.
    Als ich wieder nach Hause komme, rufe ich Nonna an. Heute klingt ihre Stimme anders, entspannter, unbeschwerter. Ohne zu unterbrechen, lasse ich sie von ihrem Tag berichten. Dann sage ich ihr, sie müsse sich um mich keine Sorgen machen, mir gehe es gut, denn ich weiß, sie hat ein schlechtes Gewissen, mich hier allein gelassen zu haben. Kaum habe ich aufgelegt, ruft Claudia an und berichtet mir freudig, ihre Mutter habe ihr gesagt, Nonna gehe es besser, sie habe ihrem Herzen Luft gemacht und gestern Abend geweint. »Und wie geht’s dir?«, fragt sie mich unversehens, und plötzlich hänge ich in der Luft, mit dem Telefon am Ohr, den Blick starr auf die Wand geheftet, als stünde dort die Antwort, und weiß nicht, was ich sagen soll, denn ich weiß nicht mehr, wie ich mich fühle. Ich antworte, es gehe mir besser, meine Freunde würden sich sehr um mich kümmern, kurz, ich erzähle ihr einen Haufen Lügen. Seit einer Weile ist das meine Königsdisziplin. Als ich aufgelegt habe, mache ich eine Runde durch die Wohnung und schalte alle Lichter aus. Dann gehe ich in das Zimmer meiner Mutter, setzte mich mit geschlossenen Augen aufs Bett und versuche mir vorzustellen, sie sei noch da. Ich konzentriere mich, rufe mir ihre Stimme ins Gedächtnis, das letzte Mal, dass sie mich berührt, mich geküsst hat, und frage mich, ob die Erinnerung all dies bis zuletzt bewahren kann, ohne etwas zu verlieren. Denn nur dort bleibst du bestehen. Und nur dort kann ich dich noch finden.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasitze, die Wohnung versunken in ihre Dunkelheit und ich in meine. Schließlich stehe ich auf, gehe in die Küche und mache Licht. Ich greife nach meiner Tasche und werfe einen Blick auf das Handy auf der Anrichte. Eine Nachricht von Sonia. Sie wollte mich fragen, ob ich morgen mit ihr blaumache. Ich sage ja, und eine Weile gibt mir dieser Kontakt mit der Wirklichkeit ein gutes Gefühl. Morgen verlasse ich Zerolandia, sage ich mir, doch schon der Gedanke, die Brücken zu meinem Exil abzubrechen und in die Heimat zurückzukehren, macht mich traurig.
    Also hat sich doch etwas verändert. Auch ich habe im Nichts Wurzeln geschlagen.

14. Dezember
    Der zweite Zwischenstopp dieses endlosen Morgens ist ein Teesalon in einer Altstadtgasse. Das alles beherrschende Thema ist selbstverständlich Giovanni. Jetzt, erzählt mir Sonia und ergeht sich in sterbenslangweiligen Nebensächlichkeiten, ist er hinter einer aus der Zehnten her, eine gewisse Tania, superschlau, superhübsch, das Rundumpaket eben. So lange wie möglich tue ich so, als würde ich ihrem Sermon folgen, doch schließlich gebe ich auf, ich kann nicht mehr. Ein paarmal versuche ich das Thema

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