Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Sonia vorbeirausche, bedanke ich mich für die Einladung und lasse sie sprachlos stehen. Giovanni sieht mir verständnislos nach. Als er gerade aufstehen und mir folgen will, knalle ich die Tür so laut es geht hinter mir zu.
Im Raum schweben
Ehe der Sarg geschlossen wurde, habe ich mich zu dir hinuntergebeugt und dich geküsst.
Erinnerst du dich, als wir uns über Astronauten unterhielten und nicht verstehen konnten, wie sie es außerhalb ihrer Raumkapsel schwebend im Nichts und in dieser unendlichen Leere aushielten? Wenn ich versuchte, mich in sie hineinzuversetzen, zog sich mein Magen sofort vor Angst zusammen und mein Herz begann zu pochen.
Ich habe mich zu dir hinuntergebeugt, und es war, als verlöre ich mich im Raum, in der Leere. Ohne Wiederkehr, ohne Raumschiffe, die mich nach Hause zurückbrächten.
Als der Sarg geschlossen wurde, bin ich auf den Balkon gegangen, weil ich es nicht hören wollte.
Gestern habe ich in der Stadt eine Frau gesehen, die dir ähnlich sah. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber sie hatte deinen Haarschnitt und trug einen dunklen Dufflecoat. Ein Stich ins Herz. Instinktiv bin ich ihr gefolgt, ein seltsames Spiel. Ich habe mir vorgestellt, du wärst nicht gestorben, sondern hättest nur eine Weile verschwinden müssen wie in einem Spionagefilm, in dem die Hauptfigur scheinbar stirbt und unter anderem Namen wieder auftaucht. Du hättest mir nichts sagen können und auch jetzt, wo du wieder da wärst, könntest du nicht mehr meine Mutter sein. Du wärst eine andere, die, der ich nachlief, und wir könnten nichts tun, als uns aus der Ferne ansehen.
Voller Sehnsucht nach deiner Umarmung, nach deinerStimme bin ich dieser Frau gefolgt. Sie blieb an einer Ampel stehen, ging über die Straße und betrachtete das Schaufenster eines Schuhgeschäftes. Sie hatte genau deinen Gang, schnell und bestimmt. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch, presste die Arme an den Körper und vergrub die Hände noch tiefer in den Taschen ihres Dufflecoats. Einen Moment lang fürchtete ich, die Beherrschung zu verlieren und nach ihr zu rufen oder ihr um den Hals zu fallen. Mich überkam ein geradezu übermächtiges Verlangen, und den Blicken der Passanten nach zu urteilen, muss ich ein seltsames Bild abgegeben haben. Ich rempelte ein paar Leute an und lief, ohne mich zu entschuldigen, weiter. Du warst wichtiger.
Schließlich waren wir uns so nah, dass ich nur meine Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Ich hatte Angst, sie könnte sich plötzlich umdrehen und das Spiel beenden. Es durfte nicht enden, denn es erfüllte mich mit einer dumpfen Freude. Für ein paar lächerliche Augenblicke bin ich wieder glücklich gewesen. Glücklich.
Schließlich ist sie an einer Bushaltestelle stehen geblieben und ich habe sie angesehen, bis sie mit dem nächsten Bus verschwand.
26. Dezember – die zweite
Als ich Sonias Party verlasse, ist es kurz nach elf, doch ich habe keine Lust, nach Hause zu fahren. Nach ein paar Runden mit dem Roller durch die Stadt fasse ich mir ein Herz und fahre zu Petrit. Während ich auf die Klingel drücke, sehe ich auf die Uhr: Es ist kurz nach halb zwölf. Die Gegensprechanlage bleibt stumm, doch die Tür springt auf und ich gehe hoch. Gabriele ist nicht da, sagt Petrit mir lächelnd. »Aber ich glaube, er kommt bald wieder. Du kannst auf ihn warten, wenn du willst.« Er lässt mich herein. Ich folge ihm in die Küche, starker Kaffeegeruch schlägt mir entgegen. Neben dem Gasherd sitzt ein Typ und nickt mir zu. »Das ist Milon«, sagt Petrit und dreht sich zu mir um. »Und das hier ist …« – »Alessandra.« Ich lächele beklommen. Das ist der letzte Ort, an dem ich sein sollte. »Wir haben uns gerade Kaffee gemacht, willst du einen?« – »Nein, danke.« Meine Finger krampfen sich in den Jackentaschen zusammen, weil ich wirklich nicht weiß, was ich sagen oder tun soll. »Kann ich nebenan auf ihn warten?« Ich nicke Richtung Gabrieles Zimmer. »Klar, wie du willst«, sagt er achselzuckend und lächelt. Ich gehe in Gabrieles Zimmer, schließe die Tür, ziehe Stiefel und Jacke aus, lege mich im Dunkeln aufs Bett und warte.
Als die Tür aufgeht, schrecke ich aus dem Schlaf. Ich setze mich auf und halte mir den Arm vors Gesicht, um von dem plötzlichen Licht nicht geblendet zu werden. Ich kann Gabrieles Gesicht nicht sehen. Einen endlos langen Moment stehter da, an den Türpfosten gelehnt, und mustert mich mit zusammengekniffenen Augen. Dann schließt er wortlos die
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