Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Eindruck, dass er mit mir zusammen sein wollte. Weil es draußen grau und kalt war, hatte ich zwei Filme mitgebracht, aber nach kaum zehn Minuten wollte er eine Runde mit dem Roller drehen. Ich bin hinter ihm aufgesessen, und wir sind ans Meer und dann in die Hügel gefahren. Am Meer sind wir eine Viertelstunde nebeneinander hergegangen wie zwei Fremde, die zufällig den gleichen Weg haben. Irgendwann bin ich stehen geblieben, doch er ist weitergelaufen, ohne sich überhaupt nach mir umzudrehen. Die gewechselten Worte lassen sich an einer Hand abzählen. Ich hasse es, wenn er so ist: Wenn er mich nicht sehen wollte, hätte er es nur sagen müssen. Als wir wieder zurück waren, musste ich noch mal in die Wohnung hinauf, weil ich mein Handy vergessen hatte. Petrit war in der Küche. Ich muss ein ziemlich langes Gesicht gemacht haben, denn er hat gefragt, wie es mir geht. Ich habe die Achseln gezuckt und dabei wohl ein ulkiges Gesicht gemacht,denn er musste grinsen. »Heute früh war seine Mutter da«, hat er leise gesagt, als wollte er mir eine Erklärung für den verpatzten Nachmittag geben. »Sie streiten, und dann fängt sie an zu weinen und er ist so.« – »Wieso haben sie gestritten?« – »Gabriele will nicht, dass seine Mutter bei seinem Vater bleibt. Der trinkt und ist arbeitslos. Er klaut ihr das Geld und behandelt sie schlecht, sehr schlecht.« Er machte ein besorgtes Gesicht. Ich habe genickt und mich verabschiedet, weil Gabriele unten auf mich wartete.
Er hat mich flüchtig geküsst und nicht nach meinen Plänen für heute Abend oder morgen gefragt. Also habe ich auch nichts gefragt und bin grußlos weggefahren. Vielleicht hätte ich nachsichtiger sein sollen, aber jeder von uns hat seine Probleme, das ist kein Grund, es an allen auszulassen.
Tolle Ferien, genau das, was ich brauchte.
Gestern Morgen habe ich mich mit Sonia getroffen. Sie hat sich für den Abend bei ihr entschuldigt und gesagt, sie sei total angespannt gewesen und benehme sich in letzter Zeit mit allen so. Dann kam sie wie zufällig auf Giovanni zu sprechen. Als klar wurde, dass sie wieder auf den Busch klopft, habe ich sie angeschnauzt, sie solle es lassen, sie sei wohl bescheuert, jemandem hinterherzurennen, der sich einen Dreck um sie schert. Und überhaupt, sie sei die Letzte, mit der Giovanni was zu tun haben wolle. Sie ist kreidebleich geworden, und die Tränen sind ihr in die Augen geschossen. »Woher willst du das denn wissen?«, hat sie mich angebrüllt. Wir saßen um elf Uhr morgens im Caffè del Centro, die halbe Stadt war da. Sie solle sich beruhigen, habe ich sie unterkühlt freundlich gebeten, doch es half nichts. »Was weißt du denn schon«, hat sie mir schrill ins Gesicht geschleudert. Ich war es satt. Dieses ganzeErklären, Zuhören, Verstehen ging mir auf den Zeiger. Ich hatte mich nur hierherschleifen lassen, um mir einreden zu können, ich täte noch normale Dinge, ich hätte mich im Grunde nicht verändert und die Welt, in der ich lebe, wäre noch immer dieselbe. Ich habe die neugierigen Blicke ignoriert – was soll schon sein, zwei zankende Mädchen – und sie toben lassen. Eine solche Beherrschung hätte ich mir nicht zugetraut. Zweimal hat sie mich miese Schlampe genannt, und ich habe nicht mit der Wimper gezuckt, mich in die Frisur der Dame am Tisch vor uns vertieft und mich gefragt, wie alt sie wohl ist. Fünfundvierzig? Fünfzig, für die sie sich großartig gehalten hat wie Sharon Stone? Und wie werde ich mit fünfzig sein? Schön, hässlich, unglücklich? Ich sah Sonia nicht mal mehr an. Sonia und ihr hysterischer Anfall schlugen mir buchstäblich auf den Magen. Im Grunde leidet sie, dachte ich, aber das war mir schnuppe.
Wo ist eigentlich die Liebe hin?
29. Dezember
Nach dem gestrigen Ausflug noch keine Nachricht aus Zerolandia. Offenbar hat Petrit recht und er will einfach alleine sein. Aber ich nicht mehr. Ich habe keine Lust, die ganze Zeit zu Hause zu hocken und vor mich hin zu brüten. Deshalb habe ich Giovanni zugesagt, als er heute vorbeikam. Sein Besuch war eine echte Überraschung, auch wenn ich nach dem Geschenk halb damit gerechnet hatte. Er kam vom Volleyballtraining, sein Haar war noch nass. Er fragte, ob ich Silvester schon verplant sei oder vielleicht zu ihm kommen wolle. Seine Mutter sei bei Freunden eingeladen, und er würde eine Party machen, nur was Kleines. Ich musste grinsen, denn er klang so feierlich, als handele es sich um eine Einladung in den Buckingham Palace und nicht um
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