Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Zeichnungen mitgebracht hat. Wenn er sich anders anziehen würde, meint sie, sähe er gar nicht mal scheiße aus, und erst vor ein paar Tagen hätte sie ihn mit einer gesehen. Sie wirft mir einen Blick zu, um sicherzugehen, dass ich auch zuhöre, und ich mime ein erstauntes Gesicht. Ich komme mir vor wie in diesen alten Filmen, in denen die Frauen unter Frisierhauben sitzen und tratschen. Ich sage nichts, obwohl ich genau weiß, dass alle nur darauf warten: Bin ich oder bin ich nicht seine Banknachbarin? Nicht einmal die schamlos ausgetauschten Blicke locken mich aus meinem Bau. Seelenruhig esse und trinke ich weiter, als wäre ich Sonias entfernte Cousine, lächele hin und wieder und tue so, als ginge mich all das Gerede nichts an: Ich bin Schwedin und gehe auf eine finnische Schule. Zu einer anderen Gelegenheit hätte ich ihr vielleicht die Meinung gesagt und wäre gegangen, doch jetzt bleibe ich cool und höre nicht hin.
Als die Jungs kommen, geht die Stimmung wieder nach oben, die Luft füllt sich mit neuer Spannung und der aromatischen Kälte, die ihren dicken Jacken entströmt. Einige scheinen mich nicht erwartet zu haben und sehen mich fragend an. Als Giovanni kommt und mich rauchend in einer Ecke entdeckt, blitzen Überraschung und Bewunderung in seinen Augen auf, was Sonia leider nicht entgeht. Das geht nicht gut aus, denke ich. Ich tue so, als wäre nichts, und grüße ihn kaum.Er erwidert meinen unterkühlten Gruß mit einem kleinen Kopfnicken und fängt an, mit Ilaria zu reden.
Als das erste Hallo vorüber ist und alle sich mit den Räumlichkeiten und Getränken vertraut gemacht haben, dimmt Sonia das Licht, Shakira wird von langsameren, sinnlicheren Rhythmen abgelöst, und ein Joint beginnt zu kreisen. Irgendjemand lässt sich auf das lange Sofa fallen, das fast die gesamte Rückwand einnimmt, andere rücken den Tisch beiseite und fangen an zu tanzen. Als Luca aus der 13 B mir den Joint hinhält, lehne ich ab und stehe auf, um mir noch ein Bier zu holen. Gerade will ich einen Schluck nehmen, als sich jemand von hinten nähert. Ich drehe mich um und stehe vor Giovanni, der mich zum Tanzen auffordert. Ich will nein sagen, doch als er mir das Glas aus der Hand nimmt und mich auf die Tanzfläche zieht, folge ich ihm zahm wie ein Lämmchen. Sonia durchbohrt mich mit ihren Blicken, und wieder ahne ich, dass das nicht gut ausgehen wird, doch ohne weiter darüber nachzudenken, schmiege ich mich an Giovanni und lasse sie schmollen.
Nach dem Tanz kehrt Giovanni zu seinen Freunden zurück, die gerade einen neuen Joint bauen. Ilaria sitzt mit Giovannis Freund Francesco auf dem Sofa; sie lachen wie die Blöden. Giovanni lässt sich neben Ilaria fallen und greift an ihr vorbei nach dem Joint. Ich gehe zu Sonia hinüber, und Feindseligkeit schlägt mir entgegen. »Du hattest mir gesagt, er sei dir total egal.« Vernichtend funkelt sie mich an. »Ist er mir auch«, antworte ich ruhig und bestimmt, »ich hab mit ihm getanzt, nicht gevögelt.« Sie zuckt zusammen und wird rot. »Bedien dich ruhig«, kichert sie überspannt, »mit dem Arschloch bin ich sowieso fertig.« – »Ach ja? Und warum hast du ihn dann eingeladen?Er hat dich doch abblitzen lassen, oder?« Entgeistert starrt sie mich an. So viel Bosheit hat sie nicht von mir erwartet. »Ich dachte, du bist meine Freundin«, sagt sie mit zitterndem Stimmchen. »O Gott, die Szene um die verratene Freundschaft hat gerade noch gefehlt«, schnaube ich genervt. Barbara und die anderen sehen zu uns herüber, auch Giovanni und seine Freunde. Sämtliche Blicke sind auf mich gerichtet, niemand redet mehr, alle scheinen nur darauf zu warten, dass die Situation eskaliert: Die Überraschungsshow des Abends kann beginnen. Auch Ilaria, die inzwischen auf Francescos Schoß gekraxelt ist, glotzt mich an, als sei ich die Gemeinheit in Person. Habe ich so laut geredet? Die können mich unmöglich gehört haben, und was habe ich schon gesagt? Wieder sehe ich Sonia an, die mit steifen Armen und geballten Fäusten dasteht wie eine Fünfjährige. »Dreckstück«, zischt sie, »von dir hätte ich das nicht erwartet.« – »Was hast du nicht erwartet? Was hab ich denn Schlimmes gemacht?« Ich schreie fast, inzwischen bin ich nicht nur sauer auf sie, sondern auf alle. Schlangengrube, denke ich, was hab ich hier überhaupt verloren? Ich stiere sie an, als könnte ich sie zu Staub zerfallen lassen. Dann drehe ich mich um, raffe meine Jacke von einer Stuhllehne und gehe zur Tür. Als ich an
Weitere Kostenlose Bücher