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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unberührt durch sämtliche Epochen wandelt. Leicht und rein wie eine Wolke segelt sie dahin. Ein Jahr bevor meine Mutter starb, hatte sie einen Ingenieur geheiratet, eine Art Wunderkind, der um einige Jahre jünger war als sie. Ich glaube nicht, dass sie viel gemein hatten, er wollte eine Frau, mit der er sich schmücken konnte, und sie hielt den Moment für gekommen, sich ernsthaft zu binden. Meine Mutter sagte oft, Claudia sei stets davon überzeugt gewesen, dass ihr jemand eines Tages genau das bieten würde, was sie sich wünschte, auch wenn ihr noch gar nicht klar war, was das sein sollte. Als meine Mutter sie gefragt hatte, weshalb sie heiratete, hatte sie geantwortet: »Warum nicht?«, und ihrer rosaroten Zukunft voller Luxus und Leichtigkeit entgegengelächelt. Als meine Mutter starb, war Claudia wieder Single.
    Es war schön, die drei zusammen zu sehen. Wenn ich sie ansah, hatte ich das Gefühl, sie würden ewig so bleiben, so jung, unabhängig und stark. Ich hatte immer geglaubt, das Leben hielte für sie etwas Besonderes, Einzigartiges bereit, doch stattdessen musste ich einsehen, dass da nichts dergleichen war. Während der Krankheit meiner Mutter waren sie plötzlich gealtert, müde geworden von der Suche nach einer Erklärung für das, was geschah und für das, was ihnen das Leben vielleicht nie bieten würde.

24. Dezember
    Heute habe ich zweimal Besuch gehabt: Einmal von Sonia und dann von Giovanni, und um ein Haar wären sie sich in die Arme gelaufen. Beide hatten ein Geschenk dabei. Von Sonia habe ich einen Teddy bekommen und von Giovanni ein Paar sehr schöner Handschuhe aus rosa und blauer Wolle, die bestimmt einen Haufen Geld gekostet haben. Zum Glück musste Sonia zum Friseur, deshalb war es nur ein Blitzbesuch: Große Gefühle und Freundschaftsbekundungen, bei deren Rührseligkeit und Theatralik selbst ihr schwummerig geworden wäre, hätte sie sich sehen können. Ich verstehe nicht, wieso sie noch immer keine Ruhe gibt, vielleicht läuft es mit Ilaria nicht so doll.
    Giovanni hingegen, der mich normalerweise immer ein bisschen verlegen macht, kam mir heute vor wie ein ganz normaler Junge. Wir haben geplaudert wie zwei alte Freunde, auch wenn ich aus der Sache im Mouse noch immer nicht schlau geworden bin.
    Ich habe mich bedankt, aber ohne allzu viel Überschwang. Er soll nicht glauben, mit einem Paar Handschuhen wäre wieder alles schön, auch wenn er heute aufrichtig rüberkam; es war nett. Wer weiß, vielleicht ist er gar nicht so dreist und verzogen wie alle sagen. Eines ist sicher: Er ist unwiderstehlich, und wenn er einen mit seinen grünen Augen ansieht, hat man Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was man gerade sagen wollte. Sofort sieht man sich mit ihm in einem romantischenLiebesfilm, allerdings nur, um dann zu merken, dass man den Film alleine anschaut.
    Nonna und ich sind in die Mitternachtsmesse gegangen. Ein paarmal habe ich zu ihr herübergesehen und gemerkt, dass sie feuchte Augen hat. Ich hätte ihre Hand nehmen, sie berühren sollen, doch ich wagte es nicht. Manchmal fürchte ich, beim winzigsten Kontakt mit ihrem Schmerz bräche mein eigener hervor. Ich würde ihn aufstören wie einen alten, schlafenden Drachen im Herzen des Berges, und kenne die Zauberformel nicht, um ihn wieder zu besänftigen.
    Am Ausgang der Kirche haben wir Sonia und ihre Familie getroffen. Ihre Mutter ist auf uns zugekommen, um uns frohe Weihnachten zu wünschen. Dann hat sie eine Es-muss-sehr-schwer-sein-aber-die-Zeit-heilt-alle-Wunden-Miene aufgesetzt, Nonnas Hände genommen und gesagt: »Man darf sich nicht unterkriegen lassen«, als hätte sie ausschließlich in Trauer und Elend gelebt und nicht in einer Rokoko-Villa mit Schwimmbad und philippinischer Hausangestellter. Aus Rücksicht auf meine Großmutter habe ich nicht laut angefangen zu lachen, doch das, was ich gesehen und gehört habe, war der beste Beweis dafür, dass Sonia die Tochter ihrer Mutter ist. Nonna hat sich bedankt, aber ihre tränenerstickte Stimme verriet, dass das dämliche Gerede seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Sie hat sich auf mich gestützt und mich mit wehem Blick um Verzeihung gebeten. Mehrere Leute sahen uns an. Wir mussten ein merkwürdiges Bild abgeben, während alle ringsum einander umarmten und frohe Weihnachten wünschten: zwei unversehens im Festtrubel gelandete Fremde, noch erschöpft von der Reise und nur einer Sprache mächtig, die niemand sonst versteht.

Weihnachten
    Weihnachten war für mich immer das

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