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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Bruiser. Obwohl total verängstigt, beschließe ich rasch, daß dies der rechte Moment ist, meine Position klarzumachen.
    »Ich nehme an, Sie wollen eine Vertagung«, sagt er.
    »Nein, Sir. Ich bin bereit, zu dem Antrag Stellung zu nehmen«, sage ich so nachdrücklich wie möglich. Ich schiebe mich durch die Pforte und lege die Akte auf den Tisch zu meiner Rechten.
    »Sind Sie Anwalt?« fragt er.
    »Ja. Ich habe gerade das Examen bestanden.«
    »Aber Ihre Lizenz haben Sie noch nicht?«
    Ich weiß nicht, wieso ich daran bisher noch gar nicht gedacht habe. Vermutlich war ich so stolz, daß es mir einfach nicht in den Sinn gekommen ist. Außerdem sollte heute Bruiser das Reden übernehmen und ich nur hin und wieder ein paar Sätze einwerfen, der Übung halber. »Nein, Sir. Die Vereidigung findet nächste Woche statt.«
    Einer meiner Feinde räuspert sich so laut, daß der Richter zu ihm hinsehen muß. Ich drehe den Kopf und sehe einen distinguierten Herrn in marineblauem Anzug, der gerade im Begriff ist, sich von seinem Stuhl zu erheben. »Wenn das Gericht gestattet«, sagt er, als hätte er das bereits millionenmal gesagt. »Für das Protokoll, mein Name ist Leo F. Drummond von Tinley Britt, wir vertreten Great Benefit Life.« Er spricht mit tiefernster Stimme zu seinem lebenslangen Freund und Zimmergenossen in Yale hoch. Die Protokollführerin beschäftigt sich wieder mit dem Feilen ihrer Nägel.
    »Und wir erheben Einspruch gegen das Erscheinen dieses jungen Mannes in dieser Sache.« Er schwenkt die Arme in meine Richtung. Er redet langsam und betont. Ich hasse ihn schon jetzt. »Mein Gott, er hat ja nicht einmal eine Lizenz.«
    Ich hasse ihn wegen seines herablassenden Tons und wegen seiner albernen Haarspalterei. Das hier ist schließlich nur eine Anhörung, kein Prozeß.
    »Euer Ehren, nächste Woche werde ich meine Lizenz haben«, sage ich. Mein Zorn ist eine große Hilfe für meine Stimme.
    »Das genügt nicht, Euer Ehren«, sagt Drummond mit weit ausgebreiteten Armen, als wäre das Ganze doch einfach lächerlich. Wie kann man nur!
    »Ich habe das Anwaltsexamen bestanden, Euer Ehren.«
    »Tolle Leistung«, wirft Drummond mir an den Kopf.
    Ich schaue ihn direkt an. Er steht inmitten von vier weiteren Männern, von denen drei mit Blöcken vor sich an seinem Tisch sitzen. Der vierte sitzt hinter ihnen. Alle starren mich an.
    »Es ist eine tolle Leistung, Mr. Drummond. Erkundigen Sie sich bei Shell Boykin«, sage ich. Drummonds Gesicht verspannt sich, und er zuckt merklich zusammen. Alle am Tisch der Verteidigung zucken zusammen.
    Das ist eine ziemlich schäbige Bemerkung, aber ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. Shell Boykin ist einer der Studenten aus meinem Jahrgang, der den Vorzug hatte, von Trent & Brent eingestellt zu werden. Wir haben uns gegenseitig drei Jahre lang verabscheut und beide vorigen Monat das Examen abgelegt. Sein Name stand letzten Samstag nicht in der Zeitung. Ich bin ganz sicher, daß es dieser großen Kanzlei ziemlich peinlich ist, daß einer ihrer jungen Strahlemänner beim Examen durchgefallen ist.
    Drummonds Blicke werden noch finsterer, und ich reagiere mit einem Lächeln. In den paar Sekunden, in denen wir dastehen und uns gegenseitig mustern, lerne ich eine ungeheuer wertvolle Lektion. Er ist nur ein Mann. Er mag ein legendärer Prozeßanwalt sein mit einer Menge Kerben in seinem Gürtel, aber er ist nur ein Mann wie jeder andere. Er wird nicht den Gang überqueren und mich ohrfeigen, weil ich ihm dann eine Tracht Prügel verpassen würde. Er kann mir nichts antun, und seine kleine Gehilfenschar ebensowenig.
    In einem Gerichtssaal hat eine Seite soviel Gewicht wie die andere. Mein Tisch ist ebenso groß wie seiner.
    »Setzen Sie sich!« knurrt Seine Ehren ins Mikrofon. »Alle beide.« Ich suche mir einen Stuhl und lasse mich darauf nieder. »Eine Frage, Mr. Baylor. Wer wird diesen Fall im Namen Ihrer Kanzlei vertreten?«
    »Ich, Euer Ehren.«
    »Und was ist mit Mr. Stone?«
    »Das weiß ich nicht. Aber dies ist mein Fall, es sind meine Mandanten. Mr. Stone hat die Klage für mich eingereicht, weil ich damals das Examen noch nicht abgelegt hatte.«
    »Also gut. Fangen wir an. Fürs Protokoll«, sagt er und sieht die Protokollantin an, die bereits in ihre Maschine tippt. »Wir verhandeln hier den Antrag der Verteidigung auf Klageabweisung, also fängt Mr. Drummond an. Ich gestehe jeder Partei fünfzehn Minuten Redezeit zu, dann werde ich darüber nachdenken. Ich will

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