Der Regenmacher
wegen mindestens hundert verschiedener Vergehen – gegen Bruiser, Bennie ›Prince‹ Thomas, Willie McSwane und noch ein paar andere.«
Die Mittagsnachrichten laufen bereits, und das erste Bild, das wir sehen, ist eine Live-Aufnahme von unseren früheren Büros. Agenten bewachen die Vordertür, vor der im Moment keine Kette liegt. Der Reporter erläutert, daß die Angestellten der Kanzlei kommen und gehen können, aber nichts entfernen dürfen. Die nächste Aufnahme zeigt Vixens, einen Oben-ohne-Club, den die Feds gleichfalls dichtgemacht haben. »Der Anklage zufolge waren Bruiser und Thomas an drei Clubs beteiligt«, sagt Deck. Der Reporter sagt dasselbe. Dann kommen ein paar Aufnahmen von unserem ehemaligen Boß, wie er bei einem früheren Prozeß finster dreinblickend auf einem Flur im Gerichtsgebäude steht. Es wurden Haftbefehle erlassen, aber sowohl Mr. Stone als auch Mr. Thomas sind unauffindbar. Der mit der Leitung der Ermittlungen beauftragte FBI-Agent wird interviewt, und er ist der Ansicht, daß die beiden Herren geflüchtet sind. Eine eingehende Fahndung läuft bereits.
»Lauf, Bruiser, lauf«, sagt Deck.
Die Story ist schon deshalb saftig genug, weil es hier um hiesige Gangster geht, einen stadtbekannten Anwalt, mehrere Polizisten aus Memphis und natürlich das Pornogeschäft. Aber die Flucht der Hauptakteure verleiht ihr noch zusätzliche Würze. Prince und Bruiser haben sich offensichtlich aus dem Staub gemacht, und das ist mehr, als die Reporter ertragen können. Es folgen Aufnahmen von der Verhaftung von Polizisten, von einer weiteren Oben-ohne-Bar, diesmal mit nackten, von den Schenkeln abwärts gezeigten Tänzerinnen, und vom Bundesanwalt, der vor den Medien erscheint, um die Anklagen zu verkünden.
Dann kommt eine Aufnahme, die mir das Herz bricht. Sie haben Yogi’s geschlossen, Ketten um die Türgriffe geschlungen und Posten vor die Türen gestellt. Sie nennen es das Hauptquartier von Prince Thomas, dem Gangsterboß, und die Feds machen einen überraschten Eindruck, weil sie, als sie vorige Nacht hereinstürmten, kein Bargeld gefunden haben. »Lauf, Prince, lauf«, sage ich leise in mich hinein.
Die mit dieser Sache im Zusammenhang stehenden Stories machen den größten Teil der Mittagsnachrichten aus.
»Ich möchte wissen, wo sie sind«, sagt Deck, nachdem er den Fernseher ausgeschaltet hat.
Wir denken ein paar Sekunden schweigend darüber nach. »Was ist da drin?« frage ich und deute auf einen Karton neben dem kleinen Tisch.
»Meine Akten.«
»Irgend etwas Gutes?«
»Genug, um zwei Monate lang die Rechnungen zu bezahlen. Ein paar kleine Verkehrsunfälle. Die eine oder andere Schadenersatzforderung nach einem Arbeitsunfall. Außerdem ein Unfall mit Todesfolge, den ich von Bruiser übernommen habe. Das heißt, ich habe ihn mir nicht selber genommen. Er hat mir vorige Woche die Akte gegeben und gesagt, ich sollte ein paar Versicherungspolicen überprüfen. Irgendwie ist sie in meinem Büro hängengeblieben, und jetzt ist sie hier.«
Ich habe den starken Verdacht, daß sich in diesem Karton noch weitere Fälle befinden, die Deck aus Bruisers Kanzlei abgestaubt hat, aber ich werde bestimmt nicht nachfragen.
»Glauben Sie, daß das FBI vorhat, uns zu vernehmen?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Wir wissen nichts, und wir haben keine Akten mitgenommen, die für sie von Interesse sein könnten. Also weshalb sollten wir uns Sorgen machen?«
»Ich mache mir aber Sorgen.«
»Ich auch.«
25
Ich weiß, daß es Deck in diesen Tagen nicht leichtfällt, auf dem Teppich zu bleiben. Der Gedanke, ein eigenes Büro zu haben und ohne Anwaltslizenz die Hälfte der Honorare einstecken zu können, ist ungeheuer aufregend. Wenn ich ihm nicht in die Quere komme, wird er unser neues Büro binnen einer Woche auf Hochglanz gebracht haben. Ich habe noch nie so viel Energie auf einem Haufen gesehen. Vielleicht ist er ein bißchen übereifrig, aber daraus werde ich ihm keinen Vorwurf machen.
Als jedoch das Telefon die zweite Nacht hintereinander läutet, bevor die Sonne aufgegangen ist, und ich seine Stimme höre, fällt es mir schwer, nett zu sein.
»Haben Sie schon die Zeitung gelesen?« fragt er putzmunter.
»Ich habe geschlafen.«
»Tut mir leid. Sie werden es nicht glauben. Die ganze Titelseite ist voll von Bruiser und Prince.«
»Hätte das nicht noch eine Stunde warten können, Deck?« frage ich. Ich bin fest entschlossen, dieser rüden Angewohnheit jetzt gleich einen Riegel
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