Der Reisende
– die an ihre Zeit mit dem Mann, der der wahre Vater des Kindes war, das sie in sich trug. Und Verily vermutete, daß die Erwähnung des Jahrmarktes, der so gar nicht in das Muster paßte, das sie für ihre nächtlichen Stelldicheins mit Alvin entwickelt hatte, im Zusammenhang mit dieser tatsächlichen Begegnung stand. Wenn er sie dazu bringen konnte, über dieses wahre Ereignis zu sprechen …
»Also konntet nur Ihr ihn sehen. Ich vermute, Ihr seid dann mit ihm fortgegangen? Darf ich Euch fragen, wohin?«
»Unter die Klappe des Zelts der Freakshow. Wir waren hinter der dicken Lady.«
»Hinter der dicken Lady«, sagte Verily. »Ein sehr abgelegener Ort. Aber … warum dort? Warum hat Alvin Euch nicht in Windeseile in den Wald gebracht? Auf irgendeine abgelegene Wiese neben einem kristallklaren Bach? Es war doch bestimmt nicht sehr bequem für Euch … vielleicht im Stroh, oder auf dem harten Boden, im Dunkeln …«
»Alvin wollte es eben so haben«, sagte sie. »Warum, weiß ich nicht.«
»Und wie lange seid Ihr dort hinter der dicken Lady geblieben?«
»Etwa fünf Minuten.«
Verily runzelte die Stirn. »Warum so schnell?« Dann, bevor Webster Einspruch erheben konnte, schoß er seine nächste Frage ab. »Also ist Alvin am hellichten Tag aus dem Gefängnis des Bezirks Hatrack entflohen und den ganzen Weg bis nach Vigor Church auf der anderen Seite des Staates Wobbish gelaufen, um mit Euch fünf Minuten hinter der dicken Lady zu verbringen?«
Webster meldete sich wieder zu Wort. »Wie soll dieses junge Mädchen die Motive des Angeklagten für die bizarren Taten kennen, die er vornimmt?«
»War das ein Einspruch?« fragte der Richter.
»Es spielt keine Rolle«, sagte Verily. »Ich bin für den Augenblick mit ihr fertig.« Und diesmal ließ er ein wenig Verachtung in seiner Stimme mitschwingen. Sollten die Geschworenen doch mitbekommen, daß er keine Achtung für dieses Mädchen mehr aufbrachte. Er hatte ihre Aussage nicht vollständig lächerlich gemacht, aber die Grundlage für Zweifel gelegt.
Es war drei Uhr am Nachmittag. Der Richter unterbrach die Verhandlung bis zum nächsten Tag.
Alvin und Verily aßen an diesem Abend in seiner Zelle und besprachen, was am nächsten Tag wahrscheinlich geschehen würde und was geschehen mußte, damit er freigesprochen wurde. »Eigentlich haben sie bei Makepeaces Anklage noch gar nichts bewiesen«, sagte Verily. »Sie beweisen nur, daß Ihr ganz allgemein ein Lügner seid, und hoffen darauf, daß die Geschworenen deshalb jeden vernünftigen Zweifel bezüglich Eurer Person und des Pflugs fallen lassen. Das schlimmste daran ist, daß Webster und Laws bei jedem Schritt des Weges auf mir gespielt haben wie auf einer Harfe. Sie haben mir eine Falle gestellt, ich habe eine Idee vorgetragen, von der sie gehofft haben, ich würde sie während des Kreuzverhörs zur Sprache bringen, und presto! Das ist die Grundlage für den nächsten irrelevanten Zeugen, der nur Eurem guten Ruf schaden soll.«
»Also kennen sie die juristischen Tricks in amerikanischen Gerichten besser als Ihr«, sagte Alvin. »Ihr kennt das Gesetz. Ihr wißt, wie die Dinge zusammenpassen.«
»Versteht Ihr denn nicht, Alvin? Webster ist es gleichgültig, ob Ihr verurteilt werdet oder nicht – ihm liegt nur an den Berichten, die die Zeitungen über diesen Prozeß veröffentlichen. Sie beschmutzen Euren Ruf. Davon werdet Ihr Euch nie erholen.«
»Ob nie, kann man nicht sagen«, erwiderte Alvin.
»Solche Geschichten verschwinden nicht. Selbst wenn wir den Mann finden, der sie geschwängert hat …«
»Oh, ich weiß, wer es war«, sagte Alvin.
»Was? Wie könnt Ihr …«
»Matt Thatcher. Er ist ein paar Jahre jünger als ich, aber in Vigor kannten ihn alle Jungs in meinem Alter. Er war immer ein Spitzbube erster Güte, und als ich im letzten Jahr dort war, hat er ständig geprahlt, kein Mädchen könne ihm widerstehen. Dann und wann mußte ein Bursche ihn verprügeln, weil er irgend was über die Schwester des Jungen gesagt hat. Aber nach dem Jahrmarkt im letzten Jahr hat er erzählt, daß er im Zelt der Freakshow hinter der dicken Lady seinen Zeltpflock in drei verschiedene Mädchen getrieben hat.«
»Aber das war vor über einem Jahr.«
»Ein Junge wie Matt Thatcher hat nicht viel Phantasie, Verily. Wenn er mal eine Stelle gefunden hat, an der es klappt, kehrt er immer wieder dorthin zurück. Aber was auch immer davon zu halten ist, er hat nie gesagt, mit welchen Mädchen er letztes Jahr angeblich dort
Weitere Kostenlose Bücher