Der Reisende
wann sie zum letzten Mal menstruiert hatte. Und das war keine Monate her.
»Wie ich die ganze Zeit über sagen wollte, ich wurde letzten Monat schwanger. Irgendwann letzten Monat.«
»Und Ihr seid sicher, daß Alvin der Vater ist?«
Sie nickte. Aber sie war nicht töricht. Verily wußte, daß sie gerade nachrechnete. Offensichtlich hatte sie sich darauf verlassen, lügen und behaupten zu können, sie wäre schon seit Monaten schwanger, seit der Zeit, da Alvin noch in Vigor war. Wenn das Baby dann geboren wurde, konnte sie behaupten, es hätte so lange gedauert, weil es das Kind eines Schöpfers sei, oder irgendeinen anderen Unsinn erzählen. Doch nun mußte sie sich eine bessere Lüge einfallen lassen.
Oder sie hatte diese Lüge von Anfang an geplant. Auch das war möglich.
»Natürlich ist er es«, sagte sie. »Er kommt selbst jetzt noch des Nachts zu mir. Er ist ganz aufgeregt wegen des Babys.«
»Was meint Ihr mit ›selbst jetzt noch‹?« fragte Verily. »Ihr wißt ja, daß er im Gefängnis ist?«
»Ach was«, sagte Amy. »Was bedeutet das Gefängnis für einen Mann wie ihn?«
Erneut wurde Verily klar, daß er Webster in die Hände gespielt hatte. Alle wußten, daß Alvin verborgene Kräfte hatte. Sie wußten, daß er Stein und Eisen verformen konnte. Sie wußten, daß er dieses Gefängnis jederzeit verlassen konnte, wenn es ihm beliebte.
»Euer Ehren«, sagte Verily, »ich behalte mir das Recht vor, diese Zeugin später noch einmal ins Kreuzverhör zu nehmen.«
»Ich erhebe Einspruch«, sagte Daniel Webster. »Miss Sump ist keine feindselige Zeugin. Wenn er sie noch einmal aufruft, ist sie seine Zeugin, und dann kann er sie nicht mehr ins Kreuzverhör nehmen.«
»Ich muß die Grundlage für eine weitere Befragung ausarbeiten«, sagte Verily.
»Ihr könnt ausarbeiten, was Ihr wollt«, sagte der Richter.
»Ihr habt einen gewissen Spielraum, doch es wird kein Kreuzverhör sein. Die Zeugin darf den Zeugenstand verlassen. Aber bleibt bitte in Hatrack River.«
Webster erhob sich wieder. »Euer Ehren, ich habe noch ein paar Fragen an die Zeugin.«
»Oh, natürlich. Miss Sump, ich bitte Euch um Verzeihung. Bitte bleibt sitzen und bedenkt, daß Ihr noch unter Eid steht.«
Webster lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Miss Sump, Ihr behauptet, daß Alvin des Nachts zu Euch kommt. Wie macht er das?«
»Er schlüpft aus seiner Zelle und einfach durch die Gefängnismauern, und dann läuft er wie ein Roter, ganz vertieft in dieses … dieses … rote Lied, und deshalb ist er in einer einzigen Stunde in Vigor Church und ist noch nicht mal müde. Nein, er ist nicht müde!« Sie kicherte.
Das rote Lied. Verily hatte sich mittlerweile oft genug mit Alvin unterhalten, um zu wissen, daß es das grüne Lied war, und wäre er wirklich mit diesem Mädchen intim, würde sie es auch wissen. Sie erinnerte sich an Dinge, die sie vor Monaten während seiner Lektionen in Vigor Church aufgeschnappt hatte, als sie mit anderen seinen Unterricht besucht hatte, um zu lernen, wie man ein Schöpfer wird. Das war alles – die Phantasie eines jungen Mädchens, kombiniert mit bruchstückhaftem Wissen, das sie sich über Alvin angeeignet hatte. Aber es würde ihm vielleicht den goldenen Pflug nehmen und – was noch wichtiger war – ihn ins Gefängnis bringen und seinen Ruf auf ewig vernichten. Das war keine unschuldige Flunkerei, und auch, wenn sie behauptete, Alvin zu lieben, wußte sie genau, was sie ihm antat.
»Kommt er jede Nacht zu Euch?«
»Oh nein, das ist ihm nicht möglich. Nur ein paar Mal die Woche.«
Webster war mit ihr fertig, aber nun hatte Verily noch ein paar Fragen. »Miss Sump, wo besucht Alvin Euch?«
»In Vigor Church.«
»Ihr seid noch ein Mädchen, Miss Sump, und wohnt bei Euren Eltern. Wahrscheinlich geben sie auf Euch acht. Ich möchte meine Frage also genauer stellen – wo seid Ihr, wenn Alvin Euch besucht?«
Sie wurde kurz nervös. »An verschiedenen Orten.«
»Eure Eltern lassen Euch unbeaufsichtigt allein?«
»Nein, ich meine … wir treffen uns zuerst immer Zuhause. Spät am Abend. Wenn alle schon schlafen.«
»Habt Ihr ein eigenes Zimmer?«
»Nun ja, nein. Meine Schwestern schlafen bei mir im Zimmer.«
»Wo trefft Ihr Alvin also?«
»Im Wald.«
»Also täuscht Ihr Eure Eltern und schleicht Euch des Nachts in den Wald?«
Das Wort täuschen war ein rotes Tuch für sie. »Ich täusche niemanden!« sagte sie ziemlich hitzig.
»Also wissen sie, daß Ihr allein in den Wald geht, um Euch
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