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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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mit Alvin zu treffen?«
    »Nein. Ich meine … ich weiß, sie würden mich aufhalten, und zwischen uns gibt es wahre Liebe, und … ich schleiche mich nicht hinaus, weil Papa die Tür verriegelt, und er würde mich hören, und … als Jahrmarkt war, konnte ich davonschlüpfen und …«
    »Der Jahrmarkt war am hellichten Tag und nicht am Abend«, sagte Verily in der Hoffnung, daß er recht hatte.
    »Einspruch!« rief Webster. »Das ist eine bloße Vermutung!« Aber seine Unterbrechung bewirkte lediglich, daß das Mädchen noch nervöser wurde.
    »Wenn Ihr Euch ein paar Mal in der Woche mit ihm trefft, Miss Sump«, fragte Verily, »verschafft Euch doch sicher nicht nur der Jahrmarkt Gelegenheit dazu, nicht wahr?«
    »Nein, das war nur einmal, als Jahrmarkt war. Sonst …«
    Verily wartete ab, wollte es ihr nicht einfacher machen, indem er ihr langes Schweigen mit Worten füllte. Die Geschworenen sollten mitbekommen, daß sie sich alles nur ausgedacht hatte.
    »Er kommt ganz leise in mein Zimmer. Mitten durch die Wand. Und dann bringt er mich genauso hinaus, leise durch die Wand. Und dann laufen wir mit dem roten Lied zu dem Ort, wo er mich im Mondschein liebt.«
    »Das muß ein erstaunliches Erlebnis sein«, sagte Verily. »Euer Liebster erscheint neben Eurem Bett, hebt Euch hoch, trägt Euch leise durch die Wand und bringt Euch in einem Augenblick meilenweit zu einem idyllischen Ort, an dem ihr euch im Mondlicht leidenschaftlich umarmt. Ihr tragt Eure Nachtwäsche. Wird Euch nicht kalt?«
    »Manchmal, aber er kann die Luft um mich herum warm machen.«
    »Und was ist mit mondlosen Nächten? Wie könnt Ihr in diesen sehen?«
    »Er … macht es hell. Wir können immer sehen.«
    »Ein Liebster, der die wundersamsten Dinge tun kann. Das klingt ziemlich romantisch, meint Ihr nicht auch?«
    »Ja, das ist es, sehr, sehr romantisch.«
    »Wie ein Traum«, sagte Verily.
    »Ja, wie ein Traum.«
    »Ich erhebe Einspruch!« rief Webster. »Die Zeugin ist ein Kind und versteht nicht, wie der Anwalt der Verteidigung ihren unschuldigen Vergleich mißbrauchen kann!«
    Jetzt war Amy völlig verwirrt. »Was habe ich gesagt?« fragte sie.
    »Laßt mich die Frage ganz deutlich stellen«, sagte Verily Cooper. »Miss Sump, ist es nicht möglich, daß Eure Erinnerungen an Alvin einem Traum entstammen? Daß Ihr das alles nur geträumt habt, weil Ihr Euch in einen starken und faszinierenden jungen Mann verliebt habt, der zu alt ist, um Euch auch nur zu bemerken?«
    Jetzt begriff sie, warum Webster Einspruch erhoben hatte, und in ihre Augen trat plötzlich ein eiskalter Blick. Sie weiß es, dachte Verily. Sie weiß, daß sie lügt, man hat sie nicht getäuscht, sie weiß genau, was sie tut, und haßt mich, weil ich sie hereingelegt habe, wenn auch nur ein wenig. »Mein Baby tut kein Traum sein, Sir«, sagte sie. »Ich hab noch nie von keinem Traum gehört, der einem Mädchen ein Baby macht.«
    »Nein, von so einem Traum habe ich auch noch nicht gehört«, sagte Verily. »Ach ja, wann war übrigens dieser Jahrmarkt?«
    »Vor drei Wochen«, sagte sie.
    »Ihr wart mit Eurer Familie dort?«
    Webster erhob Einspruch und wollte wissen, inwiefern die Frage relevant sei.
    »Sie hat eigens erklärt, sich während des Jahrmarkts mit Alvin getroffen zu haben«, erklärte Verily, als der Richter fragte. Der Richter erlaubte ihm fortzufahren. »Miss Sump«, sagte Verily, »erzählt mir, wie Ihr Euch verdrückt habt, um Alvin auf dem Jahrmarkt allein zu treffen. Hattet Ihr mit ihm verabredet, daß Ihr Euch dort treffen wolltet?«
    »Nein, es war … er ist zufällig gekommen.«
    »Am hellichten Tag. Und niemand hat ihn erkannt?«
    »Nur ich habe ihn gesehen. Das ist die Wahrheit. Das ist … ist etwas, das er machen kann.«
    »Ja, allmählich sehen wir ein, daß Alvin Smith die erstaunlichsten, wundersamsten Dinge machen kann und muß, um Zeit mit Euch zu verbringen«, sagte Verily.
    Webster erhob Einspruch, Verily entschuldigte sich, und sie machten weiter. Aber Verily war der Ansicht, daß er hier eine gute Spur aufgenommen hatte. Amy machte ihre Geschichte so glaubwürdig, indem sie zahlreiche Einzelheiten hinzufügte. Wenn es um die Ereignisse ging, die nicht passiert waren, waren diese Einzelheiten verträumt und wunderschön – aber sie hatte sie nicht einfach erfunden, es war klar, daß sie tatsächlich solche Träume hatte, oder zumindest Tagträume. Sie sprach aus der Erinnerung.
    Aber es mußte noch eine weitere Erinnerung in ihrem Verstand geben

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