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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Lächeln und küßte sie. »Die Leute gelten als töricht, wenn sie dem Bären das Fell abziehen, bevor sie ihn erlegt haben. Wir sind noch schlimmer. Wir geben dem Fell schon einen Namen.«
    Er half ihr auf den Wagen. Sie nahm neben Geschichtentauscher Platz, der bereits die Zügel in der Hand hielt. Arthur Stuart führte Alvins Pferd zu ihm, und als er aufstieg, sagte der Junge: »Wir haben gestern abend, als ihr beide oben wart, ein Lied über uns gedichtet!«
    »Ein Lied?« fragte Alvin. »Dann laß es mal hören.«
    »Wir haben es so gedichtet, als würdest du es singen«, sagte Arthur Stuart. »Kommt, ihr alle müßt mitsingen! Und am Ende singe ich den Refrain ganz allein, denn den habe ich mir allein ausgedacht, und niemand hat mir nimmernich dabei geholfen.«
    Alvin griff hinab, zog den Jungen hoch und setzte ihn hinter sich. Arthur Stuarts Arme umschlossen seine Taille. »Kommt«, rief der Junge, »laßt uns alle singen.«
    Als sie zu singen anfingen, griff Alvin hinab, packte das Geschirr des vordersten Wagenpferdes und setzte den Zug in Bewegung, die Straße entlang, die aus Chapman Valley hinausführte.

    Ein junger Mann will flügge sein,
    Zieht in der weiten Welt umher.
    Doch wandre lieber nicht allein,
    Sonst frißt dich noch ein großer Bär!

    So zieh’n wir nun zu zweit hinaus!
    Doch wer soll sein mein Voluntär?
    Denn wähl ich mir den falschen aus,
    frißt mich ganz schnell der große Bär!

    Ich nehm den kleinen Schwarzen mit,
    der pfiffig und artikular.
    Geb acht auf ihn ganz explizit
    Sonst frißt ihn noch der große Bär!

    Und dann noch diesen Anwalt hier,
    ein Mann ganz extraordinär.
    Ich mache ihn zum Pionier,
    sonst frißt ihn noch ein großer Bär!

    Seht euch die Flußratte da an!
    Ob sie ein guter Wand’rer war?
    Die ist gemein wie ein Kaiman –
    Glaubt mir, die frißt bestimmt kein Bär!

    jetzt zieh’n wir los, wohin wir woll’n.
    Und wir sind Helden legendär!
    Wir fürchten nicht mal Donnergroll’n!
    Uns frißt er nicht, der große Bär!

    Grizzlybär, Grizzlybär,
    Nun hau schon ab, du großer Bär!
    Sonst gib dein Fell uns schleunigst her
    Dann hilft dir auch kein Vetrinär!
    Alvin lachte, bis Tränen sein Gesicht hinabströmten.

19 Philadelphia

    Als Calvins und Honores Schiff in New Amsterdam eintraf, war in allen Zeitungen von der Amtseinführung des Präsidenten zu lesen, die in einer Woche in Philadelphia stattfinden würde. Calvin fiel Harrisons Name sofort wieder ein – wie oft hatte er der Geschichte des Massakers am Tippy-Canoe gelauscht? Er erinnerte sich daran, den Penner mit den blutigen Händen auf den Straßen von New Amsterdam getroffen zu haben, und erzählte Honore die Geschichte.
    »Also hast du ihn geschaffen.«
    »Ich habe ihm geholfen, aus seinen begrenzten Möglichkeiten das Beste zu machen«, sagte Calvin.
    »Nein, nein«, sagte Honore. »Du bist zu bescheiden. Dieser Mann hat sich selbst als Ungeheuer geschaffen, das um des politischen Vorteils willen Menschen getötet hat. Dann hat dieser Rote Prophet ihn mit einem Fluch vernichtet. Dann hast du seinen Pfad aus den hoffnungslosen Ruinen seines Lebens wieder aufwärts gerichtet. Calvin, endlich beeindruckst du mich. Du hast im Leben diese unendliche Macht erlangt, die normalerweise dem Schriftsteller vorbehalten ist.«
    »Die Macht, beträchtliche Mengen Papier und Tinte völlig nutzlos zu verschwenden?«
    »Die Macht, dafür zu sorgen, daß das Leben der Menschen die unlogischsten Wendungen nimmt. Eltern zum Beispiel haben diese Macht nicht. Sie können ihren Kindern weiterhelfen oder aber – und das ist wahrscheinlicher – ihr Leben zertrümmern, wie eine Mutter es einmal mit ihrem beiläufigen Ehebruch tat, auch wenn sie ihr Kind da schon im Stich gelassen und der zärtlicheren Gnade eines Internats überantwortet hatte. Aber solche Eltern haben nicht die Macht, das Kind zu heilen, das sie verletzt haben. Wenn sie das Kind einmal erniedrigt haben, können sie es nicht wieder erhöhen. Aber ich kann einen Mann erniedrigen, dann wieder erhöhen, dann wieder erniedrigen, und das alles mit einem Federstrich.«
    »Und ich kann es auch«, sagte Calvin nachdenklich.
    »Nun ja, bis zu einem gewissen Punkt«, sagte Honore. »Doch um ehrlich zu sein, du hast ihn nicht erniedrigt, und nachdem du ihn nun erhöht hast, bezweifle ich, daß du ihn noch einmal erniedrigen kannst. Dieser Mann wurde zum Präsidenten gewählt, auch wenn sein Reich hauptsächlich aus Bäumen besteht und von auf Bäumen lebenden

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