Der Retuscheur
gelesen.
»Rauch!«, sagte sie.
Wir rauchten zusammen. Ich machte zu tiefe Züge, und mir schwindelte der Kopf.
»Genug geraucht?«, fragte sie.
»Ja.« Ich drückte die Kippe aus.
»Na, dann fotografier mich!« Mit diesen Worten stand sie auf.
Wir gingen in mein Zimmer, ich öffnete den Schrank und nahm die »Moskwa-5«, ein Geschenk meines Vaters, heraus. Die Frau stand daneben und betrachtete mich gleichmütig.
»Besser wäre es, die ›Linhof‹ meines Vaters mit Stativ zu nehmen. Und seine Soffitten. Bei meiner ist der Film nicht empfindlich genug«, sagte ich.
»Mhm!« Sie nickte, nahm mir die Kamera ab und stieß mich aufs Bett.
Ich interessierte sie überhaupt nicht, doch sie war nun einmal von meinem Vater engagiert worden und musste ihre Leistung bringen. Sie strampelte sich ein bisschen ab, erreichte die nötige Erregung, schob ihr Kleid hoch, zog den Slip aus und senkte sich auf mich herab.
Da war etwas Großes und Nasses. Sonst hatte ich keinerlei Empfindungen. Ich kam irgendwie heimlich, ohne mich zu verraten, mit unverändertem Gesichtsausdruck, der bestimmt unsäglich dumm war.
Endlich nahm sie wahr, dass es sich ausgehüpft hatte, stieg herunter, steckte sich die Hand zwischen die Beine und ging mit klappernden Absätzen ins Badezimmer. Ich setzte mich auf und betrachtete meine Blöße. Ich war ganz nass und angewidert, mich fröstelte. Ich zog die Hosen an, stand auf und ging ins große Zimmer.
Die Frau stand bereits am Tisch und trank ihre Sektneige.
»Was ist mit Fotografieren?«, fragte ich und lächelte wohl, obwohl ich sie am liebsten totgeschlagen hätte.
»Ein andermal!« Sie stellte das Glas auf den Tisch, warf die Zigaretten in ihre Handtasche und ging zum Korridor.
»Mach mir die Tür auf!«, befahl sie.
Ich öffnete, sie tätschelte mir die Wange, bat, meinem Vater einen Gruß auszurichten, und verschwand.
Mein Vater wollte tatsächlich nicht, dass ich in seine Fußstapfen trat. Doch offenbar saß etwas in ihm, irgendein baltendeutscher Archetyp, der ihn daran hinderte, seinem Sohn den Wunsch zu verwehren, das Werk des Vaters fortzuführen.
Die »Smena«, die er mir schenkte, war der Prüfstein. Er wollte sehen, was ich damit machen, ob ich sie nicht einfach im Regal einstauben lassen würde.
Ich ließ sie nicht einstauben. Wie besessen lief ich mit ihr durch die Gegend, knipste unentwegt, davon überzeugt, dass es mir gelingen würde, den schönen Ausschnitt, den ich sah, der sich mir etwas entstellt im Sucher darbot, auf den Film zu bannen und dann Abzüge zu machen. Das klappte nicht. Meine Fotos waren nicht einmal schülerhaft. Sie waren so schlecht, dass mein Vater als Profi solche Stümperei nicht länger ertrug. Er begann mir zu helfen: zunächst mit Rat, dann auch durch Tat.
Durch das, was er mir erklärte, was er zu berichten wusste, war ich wie verzaubert. Ganz zu schweigen von seinen Kameras, seiner Ausrüstung. Seiner Beutekamera, der »Zeiss Ikon« 6x9 mit verstellbarer Objektivstandarte, der »Zeiss Super Iconta« mit Synchro-Compur-Verschluss und fünf Wechselobjektiven von Rodenstock! Doch sein Stolz war natürlich die »Linhof« mit Objektivplatte, mit in allen Ebenen schwenkbarer Mattscheibe, mit doppeltem Bodenauszug, der den Maßstab 1:1 ermöglichte.
Wenn mein Vater zu seinen Erdöl-und-Erdgas-Dienstreisen aufbrach, war er komplett ausgerüstet mit Behältern, gefüllt mit Entwickler, Wasser und Fixiermittel, wobei er den Entwickler besonders sorgfältig zubereitete, mit doppelt destilliertem Wasser.
Jemand, erinnere ich mich, empfahl ihm, dem Entwickler – er verwendete immer Rodinal – benzolsulfinsaures Natrium zuzusetzen, 25 Milliliter einer o,1-prozentigen Lösung pro Liter Entwickler. Mein Vater blätterte lange in Handbüchern, kam zu dem Schluss, dass der Rat gut war, konnte dieses Natrium jedoch nicht auftreiben.
Die Belichtung bekam er allein besser hin als mit irgendeinem Belichtungsmesser, Architektur fotografierte er so, dass niemand herausfand, wie er das schaffte – er machte vier Aufnahmen, morgens, mittags, abends und nachts, von ein und derselben Stelle aus, und legte sie bei der Anfertigung der Fotos übereinander. Dass er auch Menschen fotografierte, gab er nie zu. Ich durfte es tun, und mein erstes Modell war natürlich Lisa.
Nachdem sie auf so dumme Weise ums Leben gekommen war und nach der albernen Idee, die mir von meinem Vater zu geführte Nutte zu fotografieren, konnte ich meine Apparate nicht mehr sehen,
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