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Der Retuscheur

Der Retuscheur

Titel: Der Retuscheur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Stachow
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Lippen mit einem schneeweißen Taschentuch. »Also, Genka, es sieht folgendermaßen mit uns aus: Die Mikrofilme sind, wie du schon erraten haben wirst, von meinen Dokumenten gemacht. Das heißt, für das Geld, für die Leute, für die gesamte Organisation trage ich die Verantwortung, ich allein. Nenn mich, wie du willst – Leiter, Leader, Führer-, das ist mir egal. Hinter mir steht eine ungeheure Macht. Wir werden alles hinwegfegen auf unserem Weg, und wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns. Persönliches spielt da keine Rolle. So war es auch in meinem Verhältnis zu Maxim, obwohl ich ihn nicht sonderlich mochte: ein Komsomolaufsteiger, ein zügelloser Ficker, beschränkt, ohne Format. Ein Stück Scheiße! Aber wenn er sich auf unsere Seite gestellt hätte – kein Problem. Wir hätten ihn zum Präsidenten gemacht. Stattdessen hat er beschlossen, sein eigenes Spiel zu spielen. Was war das Ergebnis?« Wolochow richtet einen Finger der rechten Hand auf mich und macht »Peng, peng!« mit absichtlichem Akzent, wie ein SS-Mann in einem Kriegsfilm.
    Ich sehe ihn unverwandt an. Wolochow bietet einen idealen Anblick, alles ist durchgestylt bis ins kleinste Detail, ein Kammerdiener könnte ihm beim Anziehen geholfen haben. Fabelhaft saubere Haut, makellos weiße Zähne. Die schwarzen Socken schmiegen sich glatt seinen Füßen an, an seinen Schuhen ist kein Stäubchen. Und was die Hauptsache ist – die Augen sind rein, klar, durchsichtig. Wolochow ist steril.
    »Nun, dir tut es um unseren Maxim jedenfalls nicht leid«, sagt er. »Du hattest mit ihm noch eine Rechnung zu begleichen. Lisa! Aber sicher, ich weiß das noch …« Über sein Gesicht legt sich der Schatten der Erinnerung, er kneift die Augen zusammen, als blicke er in die Vergangenheit, eine leichte Falte durchschneidet seine hohe Stirn. »So viele Gemeinsamkeiten, Genka, so viele!« Wolochow deutet mit dem Kopf auf Tanja. »Sie sieht ihr ähnlich, nicht wahr? … Aber das sind Wunschträume, Genka, Wunschträume! Ich bin der Einzige, der die richtigen Schlussfolgerungen aus der Lektüre der Personalakte deines Vaters gezogen hat. Natürlich konnte selbst ich nicht vermuten, dass du seine Fähigkeiten erben würdest. Aber jetzt brauchst du niemanden zu fürchten. Die Personalakte gibt es nicht mehr, all das wissen nur wir beide. Die Übrigen … was können uns die Übrigen, wie, Genka?«
    Wolochow erhebt sich, knöpft sein Jackett zu, steht, von den Fersen auf die Fußspitzen wippend, über mir.
    »Wir brauchen Leute, Genka, Leute brauchen wir! Mich umgeben entweder Unprofessionelle oder irgendwelches Kroppzeug. Da habe ich, wie ich meinte, verlässliche Leute zu unserem Bai geschickt, und sie haben sich aufgeführt wie die Dorfburschen in dem Witz von Omas Bock. Erinnerst du dich? Nun, Söhnchen, fragen sie die Oma, habt ihr den Bock geschlachtet? Geschlachtet haben wir ihn nicht, antworten sie, aber ihm ordentlich das Fell gegerbt! Haha! So auch meine Leute. Alles niedergeknallt, aber den Film nicht mitgenommen. Und sich auch noch anschießen lassen! Arschgeigen!«
    Ich fühle mich, als stelle ein in meinem Inneren zusammengerollter Igel langsam seine Stacheln auf. Tau sende Nadeln durchstechen mich, eine nach der anderen, vom Sonnengeflecht aus nach allen Seiten. Ich schnappe nach Luft, ich möchte mich schnell hinlegen, die Beine an die Brust ziehen. Wolochow bemerkt, dass mit mir etwas vor sich geht, glaubt aber, ich reagiere auf seine Worte.
    »Keine Sorge, Genka«, sagt er, »keine Sorge! Gegen dich richtet sich kein Verdacht. Dein Freund, der Bulle, hat zwar irgendwas gemurmelt, als hätte auch er deine Gabe erkannt, aber – du verstehst ja selbst! Offen gestanden, ich glaube doch nicht recht, dass du zu so was fähig bist. Aber man kann die Sache drehen und wenden, wie man will, bevor du eingegriffen hast, haben alle meine Versuche, Maximka auszuschalten, zu nichts geführt. Bloß Lärm und Geschrei und unnötige Leichen. Er« – Wolochow deutet auf den Leichnam Kulagins – »hat mich überzeugt. Na schön, machen wir uns auch das zunutze. Also, Genka, entscheide. Entweder-oder! Nun? Zum Überlegen hast du drei Sekunden. Die Zeit läuft: eins, zwei …«
    Doch »Drei!« zu sagen, schafft Wolochow nicht mehr. Von rechts unten, vom Fußboden her, kracht ein ohrenbetäubender Schuss, Wolochows gestärktes Hemd reißt auf, ein grellroter Fleck zerfließt auf ihm.
    Geschossen hat Tanja. In den Händen hält sie Vitjaschas langläufigen schwarzen

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