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Der Retuscheur

Der Retuscheur

Titel: Der Retuscheur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Stachow
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haben, um mit der Auswertung der ersten Untersuchungsergebnisse zu beginnen. Mein Geld lag im Auto im Handschuhfach, was ich bei mir hatte, reichte nur, um hinzukommen. Ich hielt ein Taxi an und fuhr los.
    Der Fahrer war entweder Kokainschnupfer oder Allergiker. Er schniefte und wischte sich dauernd mit dem Handrücken die Nase. Je mehr wir uns der von mir verschwommen angegebenen Adresse näherten, desto größer wurde die Begier des Fahrers, zu zeigen, dass er im Bilde war. Endlich konnte er nicht länger an sich halten.
    »Ich habe gehört«, sagte er mit einem besonders starken Schniefer, »dass ein Kandidat abgeknallt worden ist.«
    »Was für ein Kandidat?« Ich hatte nicht vermutet, das Bai noch irgendwelche weitergehenden Karriereambitionen hatte.
    »Ein Präsidentschaftskandidat!« Der Fahrer spuckte zum Fenster hinaus. »Heute früh.«
    »Hatte er denn die Absicht zu kandidieren?«, fragte ich, obwohl, solange Baibikows Name nicht gefallen war, mein Informiertsein, dessen war ich mir bewusst, verdächtig erscheinen konnte.
    »Natürlich!« Auf Details ließ sich der Fahrer nicht ein. »Und ob! Einer der Hauptkandidaten! Da säubert jemand das Terrain! Affenärsche, die!«
    Er sah mich an. Er wartete auf meine Erwiderung.
    »Affenärsche!«, pflichtete ich bei.
    Ein paar Straßen vor Baibikows Haus stieg ich aus und fuhr in einem überfüllten Obus weiter. Im Hof stand ein Milizfahrzeug, am Eingang drängten sich immer noch Leute. Ich setzte mich in mein Auto und verließ ungehindert den Parkplatz. Niemand sah zu mir herüber, niemand wollte etwas von mir. Die Sonnenbrille saß fest auf meiner Nase. Die Tasche verströmte angenehmen Ledergeruch.
     
    Der kahlköpfige Ermittler Sascha saß mit einer Zeitung auf der Bank in der Grünanlage. Ich stellte das Auto ab, stieg die Vortreppe hinauf und bemerkte mit einem Blick aus den Augenwinkeln, wie Sascha die Zeitung zusammenrollte und, sich damit gegen das Bein klopfend, ohne Eile von der Bank zur Vortreppe geschlendert kam. Er ließ mir Zeit, die Tür zu öffnen, und hüstelte dann. Ich wandte mich um und tat verwundert:
    »Grüß dich! Wo kommst du denn her?«
    Er betrachtete mich von unten herauf und schwieg.
    »Willst du mit rein?« Ich wies mit dem Kopf auf die Tür zum Studio.
    »Wenn du gestattest.«
    »Komm rein!«, sagte ich und trat als Erster ein.
    Er schloss die Tür hinter sich, ging, sich weiter mit der Zeitung gegen das Bein klopfend, zum Arbeitstisch, schob den Sessel zurück und setzte sich hin.
    »Neue Schlösser? Gitter?« Er warf die Zeitung auf den Tisch. »Das ist richtig. Wird bloß nichts nützen.«
    »So?!« Ich nahm die Sonnenbrille ab und setzte mich ihm gegenüber. »Was willst du von mir? Schieß los.«
    Er zuckte die Achseln, zog eine Zigarettenschachtel aus der Tasche, hielt sie mir hin, steckte sie wieder ein.
    »Hattest du nie den Wunsch, die Welt zu regieren?«, fragte er so, als betreffe seine Frage eine Belanglosigkeit. »Zu herrschen, über andere zu bestimmen. Auf dem Thron zu sitzen, während unten Minister, Generäle, Bankiers herumwuseln. Ich hatte diesen Wunsch. Was hätte ich doch für Böcke geschossen, wie viel Blödsinn angestellt!«
    Er verstummte, beugte sich vor, berührte vorsichtig die auf dem Tisch liegenden Fotos Baibikows.
    »Diesen Wunsch hatte ich«, erwiderte ich, »natürlich! Und auch jetzt habe ich ihn. Besonders wenn mich Schlaflosigkeit quält. Ja, und?«
    »Um die Welt zu regieren, muss man einräumen können, dass das Unmögliche existiert«, sagte er, als hätte er meine Worte nicht gehört. »Diese Annahme genügt, dass du dich allen anderen gleich einen Kopf voraus fühlst. Dann fragt man dich – wie bist du draufgekommen? Du bist klug, nicht wahr? Nein, antwortest du, ich bin nicht klug, ich bin der größte Idiot, ich mag bloß Märchen, ich lese sie immer wieder aufs Neue. Klug ist, wer handelt, statt sich in Annahmen zu gefallen. Wem alles gelingt. Was ich dagegen auch anpacke – alles geht schief.«
    Ich betrachtete ihn mit prüfenden Blicken. Er trug immer noch dasselbe Hemd, denselben Anzug. Seine die Glatze einrahmenden Haare standen zu Berge, um die Augen hatte er blaue Ringe.
    »Was guckst du so?« Er fletschte die Zähne. »Verstehst du nicht, worauf ich hinauswill? Du verstehst es schon! Magst es bloß nicht zugeben. Aber du hast nichts zu befürchten. Mir wird ja niemand glauben. Der Staatsanwalt wird den Rettungsdienst zu Hilfe holen, ich werde in die Zwangsjacke gesteckt – und

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