Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
einige Abgeordnete waren grundlos geifernd über Jacques hergefallen. Sie waren froh, in der Presse zitiert zu werden, analysierte ein Kollege mittags in der Gerichtskantine ihr Verhalten.
Margaux hatte ihm mal erklärt, wie solche Zitate ihren Weg in die Presse fanden. Journalisten, die eine Geschichte produzieren
und jemandem schaden wollen, rufen wenig bekannte Politiker an und versprechen ihnen für ein böses Zitat einen öffentlichen Auftritt. Falls notwendig, liefern die Journalisten das Zitat gleich mit.
Auch unter den Richtern hatte Jacques, trotz lauthals geübter Solidarität, Zurückhaltung gespürt. Manch einer hatte ihm die Schwierigkeiten gegönnt, vielleicht weil sie ihm die öffentliche Aufmerksamkeit neideten.
In Lyon hatte sein Richterfreund Claude versucht, ihm Trost mit auf den Weg zu geben: ein Untersuchungsrichter sei nach der Verfassung der Fünften Republik als Garant der individuellen Freiheit völlig unabhängig von den politischen Mächten.
»Kein Chef, niemand kann dir eine Anweisung geben«, hatte er beim Abendessen im Landgasthof wiederholt. »Im Prinzip kann auch niemand von dir Rechenschaft verlangen oder eine Begründung einfordern, weshalb du welche Entscheidung fällst.«
»In der Praxis sieht das anders aus«, hatte ihm Jacques geantwortet, »und jetzt nehmen sie das Foto, auf dem mich die Witwe zu meiner Überraschung auf den Mund küsst, um irir einen Interessenkonflikt anzuhängen. Und wenn es irgendwie geht, werden sie diesen Anlass nutzen, um mir den Fall des Generals wegzunehmen, vielleicht sogar, um das Verfahren einzustellen!«
Doch der Hohe Rat der Magistratur hatte sich schließlich nicht der Politik gebeugt. Nun galt es nur noch die Entscheidung des Verfassungsrates darüber abzuwarten, ob der Staatspräsident als Zeuge aussagen musste.
Und der Präsident würde entweder nicht oder nichts aussagen, das wusste Jacques.
Er sah jetzt nur noch zwei offene Komplexe: einmal die Anklage wegen Geldwäsche gegen jene, die aus der Schweiz -
oder wie LaBrousse von den Cayman-Inseln - Bargeld nach Paris transportiert hatten, und zum anderen die Aufklärung des Mordes an dem General. Vielleicht fiel als Nebenprodukt die Aufklärung des Todes des ehemaligen Lagerchefs Freddy Bonfort in Lyon ab.
Jacques hatte gleich früh am Montag Kommissar Jean Mahon angerufen, doch dem lagen immer noch keine Ergebnisse aus den Kugelvergleichen und der Untersuchung der Gewehre vor.
»Und sonst?«, hatte Jacques gefragt, »haben die Recherchen über meine Abhörfreunde und die Mörder von John-Kalena Senga etwas ergeben?«
»Pleite auf ganzer Linie. Aber das hat noch nichts zu sagen,« antwortete der Kommissar, »ich melde mich, sobald ich etwas weiß«.
Am Mittwochmittag dann, noch bevor die erlösende Entscheidung des Hohen Rates bekannt geworden war, hatte sich der Kommissar für Donnerstag um zehn Uhr früh mit Jacques verabredet. Die Berichte würden dann vorliegen.
Jacques nahm endlich die Gläser und ging zurück zu Margeaux. Die griff mit beiden Händen nach dem Weinglas und schaute ihn an. Jacques setzte sich neben sie auf die Couch und schwieg. Er wollte ihr die Initiative überlassen, aber er fühlte sich leicht und frei und zu allem bereit. Sie plauderten oberflächlich vor sich hin. Jacques erzählte nichts von seinem Fall. Margaux gab nichts von ihrer Recherche preis.
Als sie das Glas geleert hatte, holte er die Flasche Beaujolais aus der Küche, goss nach, lehnte sich zurück und schwieg. Sie beugte sich zu ihm und strich mit den Fingern sanft über seinen Mund. Jacques grinste leise vor sich hin, ihm fiel die Bemerkung der Generalsekretärin der LER über seine Körpersäfte ein.
Es klingelte. Gleichzeitig schlug eine Faust an seine Tür, und jemand rief seinen Vornamen.
Als Jacques ihm geöffnet hatte, sagte Kommissar Jean Mahon im Ton eines strengen Moralpredigers: »Ihr solltet wenigstens die Vorhänge zuziehen!«
»Bei der Schummerbeleuchtung!«, entgegnete Jacques.
»Hör mal, du solltest die Drohung schon ernst nehmen. Ich schlag' mir nicht umsonst deinetwegen die Nacht um die Ohren.«
»Meinst du, Margaux kann mir wirklich zur Bedrohung werden?« »Hast du dein Band nicht abgehört?«
»Das habe ich vergessen. Ich bin doch gerade erst reingekommen, da hat mich Margaux überrascht.«
»Ich hatte dir hinterlassen, du mögest mich sofort anrufen. Wir haben heute Abend eine dringende Meldung des Corbeau erhalten, der behauptet, heute Nacht würden die beiden
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