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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ovalen Marmortisch, der Platz für ein Dutzend Gäste bot und mindestens eine Tonne wiegen musste. Ray fragte sich, wie sich die King of Torts über Wasser hielt.
    Doch heute Abend saßen nur zwei Personen am Kapitänstisch, über dem ein kleiner Kronleuchter -im Rhythmus der Wellen schaukelte. Ray hatte an einem Ende Platz genommen, French am anderen. Der erste Wein des Abends war ein weißer Burgunder, der für Ray nach dem scharfen Wodka nach gar nichts schmeckte. Seinem Gastgeber ging es da offenbar anders.
    French hatte drei eisgekühlte Wodkas gekippt und sprach mittlerweile mit schwerer werdender Zunge. Dennoch schmeckte er jeden Hauch von Frucht, ahnte sogar das Eichenholzfass und fühlte sich wie alle Wein-Snobs verpflichtet, Ray an dieser nützlichen Information teilhaben zu lassen.
    »Auf Ryax.« French erhob sein Glas zu einem verspäteten Toast. Ray stieß mit ihm an, sagte aber nichts. Heute Abend war es nicht an ihm zu reden, und das wusste er. Er würde nur zuhören, während sich sein Gastgeber betrank und gesprächig wurde.
    »Ryax hat mich gerettet, Ray«, erklärte French, während er das Weinglas schwenkte und bewundernd auf die goldene Flüssigkeit starrte.
    »In welcher Hinsicht?«
    »In jeder Hinsicht. Es hat meine Seele gerettet. Mein Gott ist das Geld, und durch Ryax bin ich reich geworden.« Ein kleiner Schluck, gefolgt von dem unumgänglichen Schmatzen und Augenrollen. »Die Asbestwelle vor zwanzig Jahren habe ich verpasst. Die Werften drüben in Pascagoula ver-wendeten jahrelang Asbest. Zehntausende Menschen erkrankten, und ich habe es verpasst. Ich war zu beschäftigt damit, Ärzte und Versicherungsge-sellschaften zu verklagen. Damit verdiente ich gut, aber ich erkannte das Potenzial von Sammelklagen auf Schadenersatz einfach nicht. Sind Sie bereit für die Austern?«
    »Ja.«

    French drückte einen Knopf, worauf der Steward zwei Platten mit rohen Austern in der halben Schale hereinbrachte. Ray mischte Meerrettich in die Cocktailsauce und bereitete sich auf das Festmahl vor, während Patton immer noch sein Weinglas schwenkte und ununterbrochen redete.
    »Dann kam der Tabak«, fuhr er traurig fort. »Die Anwälte waren häufig dieselben, alle von hier. Ich dachte, sie wären verrückt. Das glaubte doch jeder! Aber sie verklagten die großen Tabakfirmen in fast jedem Bundesstaat. Ich hatte die Chance, auf den Zug aufzuspringen, aber ich hatte die Hosen voll. Es fällt mir schwer, das zuzugeben, Ray. Ich war zu feige, das Risiko einzugehen.«
    »Was verlangten sie?« Ray schob sich die erste Auster mit einem Cracker in den Mund.
    »Eine Million Dollar für die Finanzierung des Prozesses. Und ich hatte damals eine Million Dollar.«
    »Wie hoch war der Vergleich?«, fragte Ray kauend.
    »Über dreihundert Milliarden. Der größte finanzielle und juristische Betrug aller Zeit. Die Tabakfirmen kauften die Anwälte praktisch. Eine riesige Bestechungsaffäre, und ich habe sie verpasst.« French schien ob dieses Unglücks in Tränen ausbrechen zu wollen, erholte sich jedoch nach einem kräftigen Schluck Wein schnell wieder.
    »Gut, die Austern«, meinte Ray mit vollem Mund.
    »Vor vierundzwanzig Stunden waren sie noch fünf Meter unter der Was-seroberfläche.« French schenkte Wein nach und wandte sich seiner Platte zu.
    »Was wäre die Rendite für Ihre Million gewesen?«
    »Zweihundert zu eins.«
    »Zweihundert Millionen Dollar?«
    »Ja. Mir war danach ein ganzes Jahr lang übel, und einer Menge anderer Anwälte von hier ging es ebenso. Wir kannten die Spieler und hatten uns nicht getraut.«
    »Dann kam Ryax.«
    »Genau.«
    »Wie sind Sie darauf gestoßen?« Ray wusste, die Frage würde eine weitere langatmige Antwort nach sich ziehen, so dass er in aller Ruhe essen konnte.
    »Ich war bei einem Seminar für Prozessanwälte in St. Louis. Missouri ist ja ganz nett, aber wenn es um Schadenersatzforderungen geht, hinkt es kilo-meterweit hinter uns her. Wir haben seit Jahren die Asbest- und Tabak-jungs, die die Millionen zählen und allen zeigen, wie der Haseäuft. Ich nahm einen Drink mit einem alten Anwalt aus einer Kleinstadt in den Ozarks. Sein Sohn lehrt Medizin an der Universität von Columbia und war auf Ryax aufmerksam geworden. Die Untersuchungsergebnisse waren entsetzlich. Das verdammte Medikament frisst die Nieren schlicht auf, und da es neu war, gab es noch keine Schadenersatzklagen. Ich trieb einen Experten in Chicago auf, der wiederum über einen Arzt in New Orleans Clete Gibson fand.

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