Der Richter
aus Norwegen, der wird Ihnen schmecken.«
Patton French kannte sich mit Wodka aus.
Er trug ein am Hals zugeknöpftes schwarzes Leinenhemd und beigefar-bene Leinenshorts, die perfekt gebügelt waren und hervorragend saßen. Der leichte Bauchansatz fiel angesichts des massigen Brustkorbs und der Unter-arme, die doppelt so dick waren wie bei normalen Menschen, kaum auf.
Sein Haar mochte er anscheinend besonders, denn er wühlte ständig mit den Händen darin herum.
»Was halten Sie von dem Schiff?«, fragte er, wobei er mit den Händen vom Heck bis zum Bug wies. »Hat sich ein unbedeutender saudischer Prinz vor ein paar Jahren bauen lassen. Der Idiot hat sogar einen Kamin installie-ren lassen, können Sie sich das vorstellen? Hat ihn um die zwanzig Millionen gekostet, und nach einem Jahr hat er das Schiff dann gegen eine Siebzig-Meter-Jacht eingetauscht.«
»Wirklich unglaublich.« Ray bemühte sich, gebührend beeindruckt zu klingen. Die Welt der Jachten war ihm immer fremd geblieben, und nach dieser Episode würde er sich vermutlich für den Rest seines Lebens von ihr fern halten.
»In Italien hergestellt.« French tippte gegen eine Reling aus irgendeinem sündhaft teuren Holz.
»Warum bleiben Sie hier draußen im Golf?«
»Weil ich Offshore-Geschäfte mag, wenn Sie wissen, was ich meine.
Kleiner Scherz. Setzen Sie sich doch.« Sie ließen sich auf zwei Liegestühlen nieder. Als sie bequem saßen, deutete French mit dem Kopf zur Küste.
»Von hier aus sieht man Biloxi kaum, aber das ist für mich nah genug. Hier draußen kann ich an einem Tag mehr Arbeit erledigen als im Büro in einer Woche. Außerdem ziehe ich gerade um. Meine Scheidung läuft. Hier drau-
ßen ist sozusagen mein Schlupfwinkel.«
»Tut mir Leid, das zu hören.«
»Dies ist mittlerweile die größte Jacht in Biloxi, und die meisten Leute kennen sie. Meine jetzige Frau denkt, ich hätte sie verkauft. Komme ich der Küste zu nahe, könnte Ihr schmieriger kleiner Rechtsanwalt heraus-schwimmen und sie fotografieren. Dreißig Seemeilen ist nah genug.«
Die geeisten Wodkas wurden in hohen, schmalen Gläsern serviert, auf denen F & F eingraviert war. Obwohl Ray nur daran nippte, brannte das Gesöff bis in die Zehen. French dagegen nahm einen tiefen Zug und schmatzte genießerisch mit den Lippen. »Was halten Sie davon?«, fragte er stolz.
»Guter Wodka.« Ray konnte sich nicht mehr erinnern, wann er zum letzten Mal Wodka getrunken hatte.
»Dickie hat frischen Schwertfisch für das Abendessen mitgebracht. Wie klingt das?«
»Ausgezeichnet.«
»Außerdem ist im Moment Austernzeit.«
»Ich habe in Tulane studiert und mich drei Jahre lang von frischen Austern ernährt.«
»Ich weiß.« French holte ein kleines Funkgerät aus der Hemdtasche und gab ihre Essenswünsche nach unten durch. Dann blickte er auf die Uhr und entschied, dass sie in zwei Stunden essen würden.
»Sie haben mit Hassel Mangrum studiert«, stellte French fest.
»Ja, aber er war ein Jahr über mir.«
»Wir haben denselben Fitnesstrainer. Hassel war hier an der Küste sehr erfolgreich, hat sich rechtzeitig in die Asbestaffären eingeklinkt.«
»Ich habe seit zwanzig Jahren nichts von ihm gehört.«
»Da haben Sie nicht viel verpasst. Inzwischen ist er eine ziemliche Nervensäge geworden, aber vielleicht war er das an der juristischen Fakultät ja auch schon.«
»Allerdings. Woher wissen Sie, dass wir zusammen studiert haben?«
»Recherche, Ray, gründliche Recherche.« French trank erneut von seinem Wodka. Rays dritter Schluck schien sein Gehirn zu verbrennen.
»Wir haben eine Menge Geld für Ermittlungen über Richter Atlee ausgegeben - seine Familie, seinen Hintergrund, seine Urteile, seine Finanzen, alles, was wir finden konnten. Nichts Illegales oder Schnüffeln in der Pri-vatsphäre, sondern gute, altmodische Detektivarbeit. Wir wussten auch von Ihrer Scheidung. Wie hieß er noch? Lew der Liquidator?«
Ray nickte nur. Am liebsten hätte er sich abfällig über Lew Rodowski geäußert und French die Meinung gesagt, weil er seine Vergangenheit durchwühlt hatte, aber für einen Moment beeinträchtigte der Wodka seine Geistesgegenwart. Deshalb nickte er nur erneut.
»Wir wussten sogar, wie viel Gehalt Sie als Juraprofessor beziehen. In Virginia sind diese Informationen nämlich öffentlich zugänglich.«
»Stimmt.«
»Kein schlechtes Gehalt, Ray, aber es ist auch eine gute Universität.«
»Allerdings.«
»Die Erforschung der Vergangenheit Ihres Bruders
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