Der Richter
Du hast jede Menge Zeit.
Das Mädchen kam mit dem Kaffee zurück, der natürlich in feinem Porzellan serviert wurde. Auf einer Seite der Tasse prangte das Monogramm F
& E
»Kann ich nach draußen gehen?«, fragte Ray.
»Selbstverständlich.« Sie lächelte und kehrte an ihren Schreibtisch zu-rück.
Eine Türreihe öffnete sich auf einen langen Balkon. Ray trank seinen Kaffee am Geländer stehend und genoss die Aussicht. Die weitläufige Rasenfläche vor dem Haus endete am Highway, dahinter erstreckten sich Strand und Meer. Kasinos waren nicht zu sehen, auch keine unfertigen Neubauten. Auf der Veranda unter ihm plauderten Maler, während sie ihre Leitern umstellten. Alles an der Anlage wirkte neu oder frisch restauriert.
Patton French hatte eindeutig im Lotto gewonnen.
»Mr. Atlee?«, rief die Angestellte, und Ray kehrte ins Büro zurück. Vom Bildschirm sah ihm Patton French über seine Lesebrille hinweg entgegen.
Sein Blick wirkte angespannt, sein Haar war leicht zerzaust. »Da sind Sie ja«, blaffte er. »Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat. Setzen Sie sich bitte, Ray, damit ich Sie besser sehen kann.«
Das Mädchen zeigte ihm seinen Platz.
»Wie geht es Ihnen?«, wollte French wissen.
»Gut, und Ihnen?«
»Ausgezeichnet. Hören Sie, dieses Chaos tut mir Leid. Alles meine Schuld, aber ich hing den ganzen Nachmittag über in einer dieser blöden Telefonkonferenzen fest und kam einfach nicht weg. Ich habe mir überlegt, dass ein Abendessen hier auf dem Schiff ein bisschen ruhiger wäre. Was meinen Sie? Mein Koch ist um Klassen besser als alle, die Sie an Land finden. Vom Hafen sind es nur dreißig Minuten bis hier. Wir könnten einen Drink nehmen, nur wir beide, und uns dann bei einem ausgedehnten Essen über Ihren Vater unterhalten. Es wird Ihnen gefallen, das kann ich Ihnen versprechen.«
Als er endlich schwieg, fragte Ray: »Ist mein Auto hier sicher?«
»Natürlich, das ist ja eine geschlossene Anlage. Wenn Sie wollen, sage ich den Wachleuten, sie sollen sich auf das Ding draufsetzen «
»Okay. Muss ich rausschwimmen?«
»Nein, dafür habe ich Boote. Dickie bringt Sie zu mir.«
Dickie war der dickliche junge Mann, der Ray ins Gebäude eskortiert hatte. Jetzt geleitete er ihn nach draußen, wo ein überlanger silberner Mer-cedes wartete. Dickie steuerte ihn wie einen Panzer durch den Verkehr zur Point Cadet Marina, wo etwa hundert kleine Boote lagen. Zufällig gehörte eines der größeren Patton French. Es trug den Namen Lady of Justice.
»Die See ist ruhig, wir werden nur etwa fünfundzwanzig Minuten brauchen«, verkündete Dickie, als sie an Bord kletterten. Die Motoren liefen bereits. Ein Steward mit starkem Akzent fragte Ray, ob er etwas trinken wolle.
»Eine Diät-Limo.« Sie legten ab und tuckerten durch die Reihen der Liegeplätze, bis sie Pier und Marina hinter sich gelassen hatten. Ray stieg auf das obere Deck und beobachtete, wie die Küste in der Ferne verschwand.
Knapp dreißig Seemeilen vor Biloxi ankerte die King of Torts , eine sieben-undvierzig Meter lange Luxusjacht mit fünfköpfiger Besatzung und üppig ausgestatteten Quartieren für ein Dutzend Gäste. Der Name des Bootes spielte auf die erfolgreich geführten Schadenersatzprozesse seines Besitzers an. Einziger Passagier war Mr. French, der seinen Gast bereits erwartete.
»Ich freue mich sehr, Ray«, sagte er, während er ihm zunächst die Hand schüttelte und dann die Schulter drückte.
»Ich mich auch.« Ray bemühte sich, nicht zurückzuweichen. French legte offenbar Wert auf Körperkontakt. Er war drei oder vier Zentimeter grö-
ßer als Ray, sonnengebräunt und besaß durchdringende blaue Augen, die im Moment zu Schlitzen verengt waren, ihr Gegenüber jedoch unverwandt ansahen.
»Wirklich sehr schön, dass Sie kommen konnten.« French drückte erneut Rays Hand. Wenn sie zu einer geheimen Bruderschaft gehört hätten, dann hätte er ihn nicht liebevoller befummeln können.
»Dickie, du bleibst hier«, brüllte er hinunter. »Folgen Sie mir, Ray.« Sie stiegen die kurze Treppe zum Hauptdeck hinauf, wo sie von einem Steward in einem weißen Jackett erwartet wurden. Über seinem Arm hing ein perfekt gefaltetes F-&-F-Serviertuch.
»Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte er Ray.
Da Ray vermutete, dass sich French nicht mit leichten Getränken abgab, erkundigte er sich: »Was ist die Spezialität des Hauses?«
»Geeister Wodka mit etwas Limonenschale.«
»Dann probiere ich den.«
»Ein toller neuer Wodka
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