Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
Vermögen, das da vor ihm lag, nicht beeindrucken zu lassen. Wie oft im Leben würde er drei Millionen Dollar in bar vor sich haben? Wie viele Menschen bekamen jemals so eine Gelegenheit? Ray saß auf einem Stuhl, das Kinn in die Hände gestützt, und starrte auf die dicht nebeneinander liegenden Stapel, während sich in seinem Kopf Fragen über Fragen auftürmten. Woher kam das Geld? Und wo-für war es bestimmt?
    Das Schlagen einer Autotür irgendwo draußen holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Dieser Ort war für einen Überfall geradezu prädestiniert. Wenn man mit Bargeld in Millionenhöhe unterwegs ist, wird jeder zum potenziellen Dieb.
    Er packte alles wieder ein, verstaute es im Kofferraum des Audis und fuhr zum nächsten Kasino.

    Rays Erfahrung mit dem Glücksspiel beschränkte sich auf einen Wochen-endausflug nach Atlantic City mit zwei Kollegen von der juristischen Fakultät. Die beiden hatten ein Buch darüber gelesen, wie man erfolgreich Craps spielt, und waren felsenfest davon überzeugt, mit Hilfe ihres Wissens über dieses Würfelspiel die Bank sprengen zu können. Es gelang ihnen nicht. Ray dagegen entschied sich, obwohl er im Kartenspiel kaum Erfahrung hatte, damals für Blackjack. Nach zwei freudlosen Tagen ohne natürliches Licht hatte er sechzig Dollar verloren und sich geschworen, nie wieder ein Kasino zu betreten. Die Verluste seiner Kollegen wurden nicht nä-
    her beziffert, aber wie er erfuhr, logen Gewohnheitsspieler ohnehin oft, wenn es um ihre Bilanz ging.
    Für einen Montagabend war der Santa Fe Club, eine auf die Schnelle hochgezogene Halle von der Größe eines Footballfeldes, ziemlich voll. Ein zehnstöckiger Hotelturm, der daran angebaut war, bot Zimmer für die Gäs-te, überwiegend Rentner aus dem Norden der USA, die vorher wahrscheinlich nie daran gedacht hätten, jemals einen Fuß nach Mississippi zu setzen, sich aber von den unzähligen Spielautomaten und dem kostenlosen Gin für die Spieler hatten anlocken lassen.
    Ray hatte fünf Scheine aus fünf verschiedenen Stapeln in der Tasche. Er ging zu einem leeren Blackjack-Tisch, an dem die Geberin vor sich hin döste, und legte ihr den ersten hin. »Setzen Sie den.«
    »Einhundert Dollar zum Einsatz«, sagte die Geberin über die Schulter hinweg, wo jedoch niemand saß, der sie hätte hören können. Sie nahm den Schein, rieb ihn desinteressiert zwischen den Fingern und setzte ihn.
    Offenbar ist er tatsächlich echt, dachte Ray und entspannte sich ein wenig. Sie muss einen Blick dafür haben, schließlich tut sie den ganzen Tag nichts anderes. Die Geberin mischte einen Stoß, gab Karten aus, prompt verlor die Bank mit vierundzwanzig. Daraufhin zog sie den Schein aus Richter Atlees geheimem Schatz ein und reichte Ray zwei schwarze Jetons dafür - zweihundert Dollar. Ray setzte beide, als besäße er Nerven aus Stahl. Gekonnt mischte die Geberin die Karten erneut, bei fünfzehn gab sie sich eine Neun. Machte vier schwarze Jetons. In weniger als einer Minute hatte Ray dreihundert Dollar gewonnen.
    Die vier schwarzen Jetons in der Hosentasche, schlenderte er durch das Kasino, zunächst zwischen den einarmigen Banditen hindurch, wo das Publikum älter und schweigsamer war. Als wären die Besucher hirntot, saßen sie auf ihren Barhockern, zogen unablässig an den Hebeln und glotzten traurig auf die Displays. Am Craps-Tisch rauchten die Würfel buchstäblich, und ein wilder Haufen Hinterwäldler stritt sich lautstark über Spielregeln, die Ray ziemlich wirr vorkamen. Er sah einen Augenblick lang zu, völlig überfordert von dem Tempo, mit dem Würfel, Einsätze und Jetons durcheinander schwirrten.
    An einem weiteren leeren Blackjack-Tisch setzte er den zweiten Hundert-Dollar-Schein, nun bereits fast so souverän, als wäre er ein alter Hase in diesem Geschäft. Der Geber sah sich den Schein aus nächster Nähe an, hielt ihn gegen das Licht, rieb ihn zwischen den Fingern und ging dann ein paar Schritte hinüber zum Pit Boss, der die Geber überwachte. Misstrauisch holte der ein Vergrößerungsglas hervor und klemmte es sich vor das linke Auge, um den Schein mit geradezu chirurgischer Sorgfalt zu untersuchen.
    Ray stand schon kurz davor, die Nerven zu verlieren und durch die Menge davonzulaufen, da hörte er, wie einer der beiden Angestellten sagte: »Der ist in Ordnung.« Welcher der Männer gesprochen hatte, wusste er nicht, weil er sich hektisch nach bewaffneten Sicherheitsleuten umgesehen hatte.
    Der Geber kam an den Tisch zurück und

Weitere Kostenlose Bücher