Der Richter
wissen. Du versteckst ein Vermögen, und erst anschließend wird dir klar, dass du es vor jemandem versteckst. Dann fängt die Fantasie an, verrückt zu spielen.
Das Geld gehörte ihm nicht, und die Summe war hoch genug, dass sich Reporter, Polizisten oder Kopfjäger an seine Fersen heften konnten.
Dann lachte er über seine Paranoia. So will ich nicht leben, sagte er sich und ging ins Bad, um zu duschen.
Wer immer der Absender war, er wusste genau, dass Richter Atlee das Geld versteckt hatte. Mach eine Liste, nahm Ray sich vor, als er sich nackt und tropfend auf die Bettkante setzte. Der Typ, der einmal die Woche den Rasen gemäht hatte. Vielleicht hatte er sich beim Richter eingeschleimt und war im Haus ein- und ausgegangen. Hineinzukommen war ohnehin einfach.
Wenn der Richter heimlich ins Kasino fuhr, konnte er leicht ins Haus ein-gedrungen sein und sich in aller Ruhe bedient haben.
Claudia stand ebenfalls ganz oben auf der Liste. Ray konnte sich gut vorstellen, dass sie beim geringsten Wink des Richters sofort nach Maple Run gekommen wäre. Man schläft nicht zwanzig Jahre lang mit einer Frau und schmeißt sie dann einfach so hinaus. Ihre Leben waren so eng miteinander verzahnt, dass die Affäre durchaus heimlich hätte fortgeführt werden können. Niemand war Reuben Atlee näher gewesen als Claudia. Wenn irgendjemand wusste, woher das Geld stammte, dann sie.
Wenn sie einen Schlüssel zum Haus gewollt hätte, hätte sie mit Sicherheit einen bekommen, doch im Grunde war das gar nicht nötig gewesen.
Als sie am Morgen der Beerdigung vorbeigekommen war, hatte sie vielleicht weniger ihr Beileid bekunden als sich vielmehr umsehen wollen; wenn das allerdings der Fall war, hatte sie exzellent geschauspielert. Sie war hart, klug, ausgebufft, abgebrüht. Zwar alt, aber nicht zu alt. Eine Viertelstunde lang konzentrierte er sich auf Claudia und versuchte, sich einzureden, dass sie hinter dem Geld her war.
Zwei andere Namen kamen ihm in den Sinn, aber die konnte er nicht auf seine Liste setzen. Der erste war Harry Rex, doch schon in dem Augenblick, in dem er ihn leise ausgesprochen hatte, schämte er sich. Der andere war Forrest, und auch diese Vorstellung erschien ihm lächerlich. Forrest war seit neun Jahren nicht in dem Haus gewesen. Und mal angenommen -
rein hypothetisch -, er hätte von dem Geld gewusst, dann hätte er es nie zu-rückgelassen. Wenn Forrest drei Millionen in bar in die Finger bekäme, würde er sich selbst und seiner Umwelt sofort ernsthaften Schaden zufügen.
Die Liste kostete ihn viel Anstrengung, auch wenn sie ihn nicht wirklich weiterbrachte. Er wollte eine Runde joggen gehen, stopfte dann stattdessen ein paar alte Kleidungsstücke in zwei Kopfkissenbezüge und fuhr zu Chaney’s, wo er vor 14 B auslud. Nichts war angerührt worden, die Kartons standen exakt so da, wie er sie tags zuvor zurückgelassen hatte. Das Geld war immer noch sicher versteckt. Trotzdem wollte er so lange in dem Container bleiben, wie es möglich war, ohne aufzufallen. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht Spuren hinterlassen hatte. Offensichtlich wusste jemand, dass er das Geld aus dem Arbeitszimmer des Richters mitgenommen hatte. Es wäre durchaus möglich, dass dieser jemand einen Privatdetektiv engagiert hatte, der ihm nachschnüffelte.
jeder hätte ihm leicht von Clanton nach Charlottesville folgen können und von seiner Wohnung zu Chaney’s Self-Storage.
Er verfluchte sich selbst dafür, so nachlässig gewesen zu sein. Denk doch nach, Mann! Das Geld gehört dir nicht!
Er verschloss 14 B sorgfältig. Auf dem Weg in die Stadt, wo er mit Carl zum Mittagessen verabredet war, sah er immer wieder in den Rückspiegel und beobachtete die anderen Autofahrer. Nach fünf Minuten lachte er über sich selbst und schwor, sich nicht länger wie ein waidwundes Wild zu verhalten.
Sollten sie das verdammte Geld doch haben! Sollten sie in 14 B einbrechen und es mitnehmen. Dann hätte er eine Sorge weniger. Es würde sein Leben nicht im Geringsten verändern. Kein bisschen.
18
Die Flugzeit nach Atlantic City betrug mit der Bonanza schätzungsweise fünfundachtzig Minuten, das waren genau fünfunddreißig Minuten weniger als mit der Cessna, die Ray sonst immer mietete. Am frühen Samstag-morgen unterzogen Fog und er die Maschine der vor dem Flug üblichen umfassenden Überprüfung. Sie standen unter der aufdringlichen und unangenehmen Beobachtung von Dick Docker und Charlie Yates, die mit gro-
ßen
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