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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Postfach des Richters in Clanton, vom Gericht und aus dem Briefkasten in Maple Run zusammengetragen.
    Manche waren direkt an Ray und Forrest adressiert, andere an die Familie von Richter Atlee. Es waren lange Briefe von Anwälten darunter, die mit dem großen Mann im Gerichtssaal gestanden hatten und sich von seiner Leidenschaft für Recht und Gesetz hatten inspirieren lassen. Außerdem Beileidskarten von Menschen, die in den unterschiedlichsten Angelegenheiten - Scheidung, Adoption, Jugendkriminalität - vor Richter Atlee hatten erscheinen müssen und deren Leben sich durch sein faires Urteil verändert hatte. Und nicht zuletzt Schreiben von Freunden aus dem ganzen Staat -
    niedergelassenen Richtern, alten Kommilitonen von der Universität, Politi-kern, denen der Richter in all den Jahren immer wieder unter die Arme gegriffen hatte, und sonstigen Bekannten, die ihr Beileid und liebevolles Andenken bekunden wollten.
    Der dickste Stapel stammte von den vielen Menschen, die in den Genuss der Wohltätigkeit des Richters gekommen waren. Ihre Briefe waren lang und herzlich. Richter Atlee hatte stillschweigend überall dorthin Geld geschickt, wo es dringend gebraucht wurde, und in vielen Fällen das Leben der Betroffenen dramatisch verändert.
    Wie war es nur möglich, dass ein so großzügiger Mann starb und über drei Millionen Dollar hinterließ, die hinter dem Sofa unter dem Bücherregal versteckt waren? Hatte vielleicht Alzheimer seinen Verstand getrübt oder irgendeine andere Krankheit, die nie diagnostiziert worden war? War er geisteskrank gewesen? Das wäre die einfachste Antwort: Der Richter war verrückt geworden. Aber wie viele Verrückte konnten so viel Geld horten?
    Nachdem Ray rund zwanzig Karten und Briefe gelesen hatte, legte er eine Pause ein. Er betrat den kleinen Balkon, der auf die Fußgängerzone ging, und blickte auf den Strom der Passanten hinunter. Sein Vater hatte Charlottesville nie gesehen. Obwohl Ray ihn sicher einmal gebeten hatte vorbeizu-kommen, konnte er sich nicht erinnern, ihn jemals konkret eingeladen zu haben. Sie waren niemals zusammen irgendwohin gefahren. Es gab so viele Dinge, die sie miteinander hätten tun können.
    Der Richter hatte immer davon gesprochen, dass er einmal Gettysburg, Antietarn, Bull Run, Chancellorsville und Appotomax besuchen wollte, und er hätte es auch getan, wenn Ray nur das geringste Interesse bekundet hätte. Doch Ray hatte keine Lust, einen vergangenen Krieg noch einmal zu führen; er hatte immer das Thema gewechselt, wenn die Rede darauf gekommen war.
    Die Schuldgefühle lasteten schwer auf ihm, und er konnte sie nicht abschütteln. Was war er doch für ein selbstsüchtiges Arschloch gewesen.
    Claudia hatte eine reizende Karte geschickt. Sie dankte Ray dafür, dass er mit ihr geredet und ihr verziehen hatte. Sie habe seinen Vater viele Jahre lang geliebt und werde ihren Schmerz mit ins Grab nehmen. Bitte ruf mich an, schrieb sie, viele liebe Grüße und Küsse, Unterschrift. Harry Rex zufolge hatte sie ihren aktuellen Freund auf Viagra gesetzt.
    Rays nostalgische Reise fand ein jähes Ende, als er eine schlichte Karte ohne Absender las, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ und ihm am ganzen Körper eine Gänsehaut verursachte.
    Es war der einzige rosafarbene Umschlag in dem ganzen Stapel. Darin befand sich eine Faltkarte mit dem Aufdruck »Herzliches Beileid«. Im Innern lag ein kleines, quadratisches Blatt Papier mit folgender Botschaft:
    »Es wäre ein Fehler, das Geld auszugeben. Die Steuerbehörde ist schnell informiert. « Der Brief war ‘am Mittwoch in Clanton abgestempelt worden, also am Tag nach der Beerdigung, und an die Familie Richter Atlee in Maple Run adressiert.
    Ray legte die Karte zur Seite und sah die übrigen Briefe und Karten durch. Da immer wieder dasselbe darin stand, überflog er sie nur. Die rosafarbene Karte lag da wie eine geladene Waffe und wartete darauf, dass er sich ihr wieder zuwandte.
    Er ging auf den Balkon und wiederholte die Drohung mit leiser Stimme.
    Auf das Geländer gestützt, versuchte er, sich einen Reim darauf zu machen.
    In der Küche kochte er sich einen weiteren Kaffee. Auch hier murmelte er die Wörter vor sich hin. Die Karte ließ er auf dem Tisch liegen, so dass er sie bei seinem rastlosen Hin- und Herwandern jederzeit sehen konnte.
    Zurück auf dem Balkon, blickte er wieder auf den Strom der Passanten hinunter, der zunahm, weil es gegen Mittag ging. jeder, der zu ihm herauf sah, konnte von dem Geld

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