Der Ring Der Jaegerin
bei der Geburt ihrer Tochter Elfriede mit dreißig Jahren gestorben. Verheiratet war sie mit einem Josef Graefen und hieß ebenfalls Amanda. Ich vermutete jedoch stark, dass Mandy nicht ihr Rufname war. Noch tiefer mussten wir in das stockfleckige Gekritzel einsteigen, um neben den vielen zur gleichen Zeit geborenen und zum Teil sehr schnell gestorbenen Kindern der Familie Amandas Geburtseintrag zu finden. Ich schlug eine Seite zurück und musste niesen. Etwas staubig war die Sache schon.
Aber dann spürte ich plötzlich, wie Minnis Kopf sich unter meinem Arm hindurchschob, und eine Pfote schoss vor.
»Nicht, Minni. Das ist ein ganz wertvolles Buch. Tatzen weg.«
»Schon gut, schon gut«, murrte sie leise. »Guck mal auf die vorletzte Zeile.«
Himmel, die Katze konnte lesen! Und sie hatte recht: Amanda vom Wald, verheiratet mit Josef Graefen zu Ostern 1875.
Da tauchte vom Wald auf. Aber in der weiblichen Linie vermutlich angeheiratet.
»Das ist ja richtig spannend, Mandy.«
»Lass uns weitersuchen. Schau, hier. Ich kann es kaum glauben, welche Unzucht herrschte in dieser Familie! Amanda, geboren 1857 als dritte Tochter der Maria-Anne vom Walde.«
»Weiter, weiter, weiter!«, drängelte Minni neben mir.
»Maria-Anne hatte vier uneheliche Kinder. Alle säuberlich in der Bibel notiert. Wenn das der Herr Pfarrer gewusst hätte.«
Mandy schmunzelte leise. Ich kannte ihre Abneigung gegen jedwede Glaubensinstitution. Aber die letzten Eintragungen waren wenig aufschlussreich. Wir erfuhren nur noch, dass Maria-Annes Mutter Mathilde hieß und 1851 das Zeitliche gesegnet hatte.
»Wir wissen nicht, ob Mathilde ebenso fruchtbar und ebenso unsittlich war. Wenn sie unsittlich genug war, unehelichen Nachkommen das Leben zu schenken, hieß sie auch vom Walde und war irgendwie verwandt mit der Katharina«, grübelte ich vor mich hin.
»Da kann ich dir jetzt leider nicht mehr helfen. Ich muss langsam zum Flughafen, Kathy. Komm, hilf mir die Tassen wegzuräumen. Die Bibel kannst du ja mitnehmen. Vielleicht findest du zusammen mit deiner Bekannten noch weitere Hinweise.«
Ich sah auf die Uhr, und mal wieder überraschte mich Mandys Gelassenheit. Wir hatten wahrhaftig nicht mehr viel Zeit, der Flug ging in einer Stunde.
»Ach, die kennen mich schon, das Einchecken geht schnell.«
Klar, wenn man VIP flog, wie ich feststellen durfte.
Mandys Abschiedsworte galten Minni: »Pass auf, dass sie genug isst, deine Katharina ist zu dünn.«
Kapitel 6
Auf dem Rückweg nach Hause war Minni ungewöhnlich schweigsam. Versunken und regungslos sinnierend kauerte sie auf dem Beifahrersitz, die Augen in unbekannte Fernen gerichtet. Aber auch mich bewegte der unerwartete Einblick in unsere Familiengeschichte. Wie war Minni auf die Idee gekommen, dass irgendjemand mit dem Namen vom Walde dazugehörte? Ich würde sie nachher fragen.
Bei diesem Entschluss fiel mir ein, dass es für mich inzwischen völlig selbstverständlich war, mich mit dieser Katze zu unterhalten. Und mir es auch absolut gleichgültig war, ob es sich nun um Einbildung oder Realität handelte.
Wir kamen zu Hause an, und ich parkte das Auto auf dem Abstellplatz vor dem Eingang ein. Minni folgte mir ohne Aufforderung aus dem Wagen, sah sich dann kurz um und verschwand in den Büschen. Etwas überrascht sah ich ihr nach. So ohne Abschied wollte sie sich doch wohl nicht aus dem Staub machen? Fast verspürte ich so etwas wie aufsteigende Panik bei dem Gedanken, dass sie mich verlassen würde. Ich setzte an, nach ihr zu rufen, da kam sie aber auch schon wieder aus der kleinen Anpflanzung vor dem Haus spaziert.
»Die Sahne, du verstehst?«
Ach ja, die Sahne! Wahrscheinlich musste ich mich an den Gedanken gewöhnen, mir ein Katzenklo anzuschaffen. Ich schloss die Haustüre auf, und Minni raste vor mir die Treppen hoch. Ich folgte bedächtiger, die schwere Holzkiste mit der Familienbibel in den Händen. In der Wohnung stellte ich sie dann auf den Schreibtisch, um sie mir noch etwas genauer anzusehen. Minni bestand jedoch auf einem anderen Veranstaltungspunkt.
»Sag mal, bist du nicht hungrig? Es ist schon nach sieben, und eigentlich bin ich es gewöhnt, jetzt einen Imbiss zu mir zu nehmen.«
Ein bisschen hungrig war ich auch. Obwohl mich das nicht gestört hätte. Aber mit einem Tier hat man wohl Verpflichtungen.
»Was hätte Madame denn gerne?«
»Was hast du denn da?«
Ich hatte mir ein wenig Kalbsgeschnetzeltes mitgebracht, das ich mit einer Pilzsauce aus dem Glas
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