Der Ring der Kraft - Covenant 06
nächtlichen Stille gesellte sich Cail zu Covenant. »Ich werde hier schlafen«, flüsterte Covenant dem Haruchai mit rauher Stimme zu, weil er die Grenze dessen, was er zu verkraften vermochte, überschritten hatte. »Ich will allein sein. Laß niemanden zu mir!«
Doch er schlief nicht. Er brachte die Nacht herum, indem er zu der früheren Festungsstadt emporstarrte, als wäre sie die letzte Barriere zwischen seinem heißen Gram und Lord Fouls Triumph. Mehrmals hörte er, wie sich durchs Unterholz Gefährten näherten. Jedesmal sprach Cail eine Ablehnung aus. Linden schimpfte über seine Weigerung, sie zu Covenant zu lassen, aber sie schaffte es nicht, ihn umzustimmen.
Die einzigartige, so persönliche Treue des Haruchai ermöglichte es Covenant, bis zur Morgenfrühe durchzuhalten.
Er sah das erste Tageslicht jenseits der Zinnen des Turms auf dem oberen Rand des Hauptbaus der Festung, während der Strahl des Sonnenfeuers unablässig ostwärts schoß. Der Tagesanbruch besaß die farbliche Schattierung einer Wüste, und die Sonne verlieh dem hohen, grauen Fels eine bräunliche Tönung. Abermals hatte Hollian das Sonnenübel richtig vorhergesagt. Als Covenant seine müden, durch all die Belastung zermürbten Gliedmaßen hochraffte, bereitete der Gedanke an die Sonnenseherin ihm ein sonderbares Gefühl. Einander vermählt durch das Kind, das sie im Leibe trug, waren sie und Sunder sich immer inniger nähergekommen; Covenant dagegen wußte nicht, wie er die Kluft zwischen sich und Linden schließen sollte.
Hinter sich hörte er, wie Linden ein zweites Mal bei Cail vorsprach. »Er muß was essen«, schnauzte sie voller Unmut, als der Haruchai sie erneut abschlägig beschied. »So menschlich ist er ja wohl noch.« Ihre Stimme klang nach Ausgelaugtheit, als hätte auch sie nicht geschlafen. Vielleicht war die Luft rings um Schwelgenstein zu stark verpestet von den Emanationen des Wütrichs, als daß sie zum Schlafen imstande gewesen wäre. Von Gibbon war ihr der Teil ihrer selbst gezeigt worden, der sich gierig aus ihrem Innern erhoben hatte, um ihrer Mutter das Leben zu nehmen. Nun jedoch dachte sie in dieser unheilgeschwängerten Umgebung nicht an sich, sondern an Covenant. Wahrscheinlich hätte sie ihm längst verziehen; wäre ihr seinerseits dazu je die Chance gegeben worden.
So steif, als wären seine gesamten Muskeln durch die Nacht und seine lange währende Verzweiflung verkalkt, begann er den Hügel in Schwelgensteins Richtung hinaufzusteigen. Er konnte Linden jetzt nicht gegenübertreten, fürchtete ihren Blick fast so sehr wie die wuchtige granitene Drohung der Feste. Heimlichkeit war nicht länger möglich; und ihm war nicht wohl dabei, wenn er daran dachte, wie Linden auf das reagieren würde, was sie in ihm sah.
Der Sonnenschein fiel nun auf den Festungsturm, färbte ihn wie eine Ödnis, sank rasch auf die Vorhügel herab. An den Rändern seines Blickfelds sah er zu beiden Seiten die Wipfel der Bäume zu zerfließen beginnen; im Mittelpunkt seiner Sicht jedoch befand sich der Turm. Die Laufgänge und Brustwehren waren leer, und die Dunkelheit hinter den Öffnungen ließ sie wie Augen wirken, in denen das Licht des Lebens erloschen war. Licht des Lebens und der Schändung , dachte Covenant verschwommen, als wäre er aus Entkräftung und Furcht zu schwach, um sich an Widersprüchen zu stören. Er wußte, wie er sich mit ihnen auseinanderzusetzen hatte; die Lösung hatte er im Thronsaal von Fouls Hort entdeckt, als die Unmöglichkeit, an die tatsächliche Wirklichkeit des Landes zu glauben, und die Unmöglichkeit, seine faktische Realität zu leugnen, ihn dazu nötigten, in der Mitte der Schicksalslast seiner Höhenfurcht, seines Schwindelgefühls, den Ruhepunkt der Kraft zu finden. Aber solche Einsichten blieben gegenwärtig für ihn ohne Nutzen. Während der Nacht war aller Zorn aus ihm gewichen; und er klomm dem Rachen Schwelgensteins entgegen, der voraus im Turm klaffte, als wäre er nur Spreu, zum Verbrennen bestimmt.
Doch die scheinbare Verlassenheit der Festung bereitete ihm Unbehagen. War es möglich, daß die Sonnengefolgschaft die Flucht ergriffen hatte, die Gefolgsleute durch sein bloßes Aufkreuzen verscheucht worden waren, in irgendein Versteck getrieben? Nein. Die enorme Kraft, die im Sonnenfeuer-Strahl steckte, sprach absolut nicht dafür, daß man das Sonnenfeuer achtlos im Stich gelassen hatte. Und Lord Foul hätte keinen derartigen Rückzug gestattet. Welchen schöneren Sieg könnte
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